Der u. a. für Fami­li­en­sa­chen zustän­di­ge XII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat­te sich erst­mals mit Rechts­fra­gen im Zusam­men­hang mit dem zum 1. Janu­ar 2008 geän­der­ten Anspruch auf nach­ehe­li­chen Betreu­ungs­un­ter­halt (§ 1570 BGB) zu befassen. 

1. Die Par­tei­en strei­ten um nach­ehe­li­chen Unter­halt. Die seit Janu­ar 2000 ver­hei­ra­te­ten und seit Sep­tem­ber 2003 getrennt leben­den Par­tei­en sind seit April 2006 rechts­kräf­tig geschie­den. Ihr im Novem­ber 2001 gebo­re­ner Sohn wird von der Klä­ge­rin betreut. Er besuch­te seit 2005 eine Kin­der­ta­ges­stät­te mit Nach­mit­tags­be­treu­ung und geht seit Sep­tem­ber 2007 zur Schu­le und danach bis 16:00 Uhr in einen Hort. Die Klä­ge­rin ist ver­be­am­te­te Stu­di­en­rä­tin und seit August 2002 mit knapp 7/10 einer Voll­zeit­stel­le (18 Wochen­stun­den) erwerbstätig.

Das Amts­ge­richt hat den Beklag­ten für die Zeit ab Janu­ar 2008 zur Zah­lung nach­ehe­li­chen Betreu­ungs und Auf­sto­ckungs­un­ter­halt in Höhe von monat­lich 837 € ver­ur­teilt. Die Beru­fung des Beklag­ten, mit der er eine Her­ab­set­zung des monat­li­chen Unter­halts auf 416,32 € und eine zeit­li­che Befris­tung der Unter­halts­zah­lun­gen bis Juni 2009 begehrt, wur­de zurückgewiesen.

Auf sei­ne Revi­si­on hat der Bun­des­ge­richts­hof die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung auf­ge­ho­ben und die Sache zur erneu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­lan­des­ge­richt zurückverwiesen.

2. Der Bun­des­ge­richts­hof hat­te über die in Recht­spre­chung und Lite­ra­tur umstrit­te­nen Rechts­fra­gen zu ent­schei­den, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen dem betreu­en­den Eltern­teil eines Kin­des Betreu­ungs­un­ter­halt zusteht und ob die­ser Anspruch zeit­lich befris­tet wer­den kann.

Nach § 1570 BGB in der seit dem 1. Janu­ar 2008 gel­ten­den Fas­sung kann ein geschie­de­ner Ehe­gat­te von dem ande­ren wegen der Pfle­ge und Erzie­hung eines gemein­sa­men Kin­des für min­des­tens drei Jah­re nach der Geburt Unter­halt ver­lan­gen. Die Dau­er des Unter­halts­an­spruchs ver­län­gert sich, solan­ge und soweit dies der Bil­lig­keit ent­spricht. Dabei sind die Belan­ge des Kin­des und die bestehen­den Mög­lich­kei­ten der Kin­der­be­treu­ung zu berück­sich­ti­gen. Die Dau­er des Anspruchs auf Betreu­ungs­un­ter­halt ver­län­gert sich dar­über hin­aus, wenn dies unter Berück­sich­ti­gung der Gestal­tung von Kin­der­be­treu­ung und Erwerbs­tä­tig­keit in der Ehe sowie der Dau­er der Ehe der Bil­lig­keit entspricht.

Mit der Ein­füh­rung des “Basis­un­ter­halts” hat der Gesetz­ge­ber dem betreu­en­den Eltern­teil die Ent­schei­dung über­las­sen, ob er das Kind in des­sen ers­ten drei Lebens­jah­ren selbst erzie­hen oder eine ande­re Betreu­ungs­mög­lich­keit in Anspruch neh­men will. Ein gleich­wohl wäh­rend der ers­ten drei Lebens­jah­re erziel­tes Ein­kom­men ist damit stets über­ob­li­ga­to­risch. Der betreu­en­de Eltern­teil kann des­we­gen in die­ser Zeit auch eine schon bestehen­de Erwerbs­tä­tig­keit wie­der auf­ge­ben und sich voll der Erzie­hung und Betreu­ung des Kin­des wid­men. Erzielt er gleich­wohl eige­ne Ein­künf­te, weil das Kind auf ande­re Wei­se betreut wird, ist das über­ob­li­ga­to­risch erziel­te Ein­kom­men aller­dings nicht völ­lig unbe­rück­sich­tigt zu las­sen, son­dern nach den Umstän­den des Ein­zel­fal­les antei­lig zu berücksichtigen.

Für die Zeit ab Voll­endung des drit­ten Lebens­jah­res steht dem betreu­en­den Eltern­teil nach der gesetz­li­chen Neu­re­ge­lung nur noch ein Anspruch auf Betreu­ungs­un­ter­halt aus Bil­lig­keits­grün­den zu (s. o.). Damit ver­langt die Neu­re­ge­lung aller­dings regel­mä­ßig kei­nen abrup­ten Wech­sel von der elter­li­chen Betreu­ung zu einer Voll­zeit­er­werbs­tä­tig­keit. Nach Maß­ga­be der im Gesetz genann­ten kind- und eltern­be­zo­ge­nen Grün­de ist auch nach dem neu­en Unter­halts­recht ein gestuf­ter Über­gang bis hin zu einer Voll­zeit­er­werbs­tä­tig­keit möglich.

Im Rah­men der Bil­lig­keits­prü­fung haben kind­be­zo­ge­ne Ver­län­ge­rungs­grün­de das stärks­te Gewicht. Vor­ran­gig ist des­we­gen stets der indi­vi­du­el­le Umstand zu prü­fen, ob und in wel­chem Umfang die Betreu­ung des Kin­des auf ande­re Wei­se gesi­chert ist. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass der Gesetz­ge­ber mit der Neu­ge­stal­tung des nach­ehe­li­chen Betreu­ungs­un­ter­halts in § 1570 BGB für Kin­der ab Voll­endung des drit­ten Lebens­jah­res den Vor­rang der per­sön­li­chen Betreu­ung durch die Eltern gegen­über einer ande­ren kind­ge­rech­ten Betreu­ung auf­ge­ge­ben hat. Damit hat der Gesetz­ge­ber auf den zahl­rei­chen sozi­al­staat­li­chen Leis­tun­gen und Rege­lun­gen auf­ge­baut, die den Eltern dabei behilf­lich sein sol­len, Erwerbs­tä­tig­keit und Kin­der­er­zie­hung bes­ser mit­ein­an­der ver­ein­ba­ren zu kön­nen, ins­be­son­de­re auf den Anspruch des Kin­des auf den Besuch einer Tages­pfle­ge. In dem Umfang, in dem das Kind nach Voll­endung des drit­ten Lebens­jah­res eine sol­che Ein­rich­tung besucht oder unter Berück­sich­ti­gung der indi­vi­du­el­len Ver­hält­nis­se besu­chen könn­te, kann sich der betreu­en­de Eltern­teil also nicht mehr auf die Not­wen­dig­keit einer per­sön­li­chen Betreu­ung des Kin­des berufen.

Soweit dem­ge­gen­über in Recht­spre­chung und Lite­ra­tur zu der seit dem 1. Janu­ar 2008 gel­ten­den Fas­sung des § 1570 BGB abwei­chen­de Auf­fas­sun­gen ver­tre­ten wer­den, die an das frü­he­re Alters­pha­sen­mo­dell anknüp­fen und eine Ver­län­ge­rung des Betreu­ungs­un­ter­halts allein vom Kin­des­al­ter abhän­gig machen, sind die­se im Hin­blick auf den ein­deu­ti­gen Wil­len des Gesetz­ge­bers nicht haltbar.

Soweit die Betreu­ung des Kin­des sicher­ge­stellt oder auf ande­re Wei­se kind­ge­recht mög­lich ist, kön­nen einer Erwerbs­ob­lie­gen­heit des betreu­en­den Eltern­teils aller­dings auch ande­re Grün­de ent­ge­gen­ste­hen, ins­be­son­de­re der Umstand, dass der ihm ver­blei­ben­de Betreu­ungs­an­teil neben der Erwerbs­tä­tig­keit zu einer über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­gen Belas­tung füh­ren kann. Hin­zu kom­men wei­te­re Grün­de nach­ehe­li­cher Soli­da­ri­tät, etwa ein in der Ehe gewach­se­nes Ver­trau­en in die ver­ein­bar­te und prak­ti­zier­te Rol­len­ver­tei­lung und die gemein­sa­me Aus­ge­stal­tung der Kinderbetreuung.

3. Die­sen gesetz­li­chen Vor­ga­ben des neu­en Unter­halts­rechts trug die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung nicht hin­rei­chend Rech­nung. Das Beru­fungs­ge­richt hat bei der Bemes­sung der Erwerbs­pflicht der Klä­ge­rin vor­ran­gig auf das Alter des Kin­des abge­stellt und nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt, dass es nach Been­di­gung der Schul­zeit bis 16.00 Uhr einen Hort auf­sucht und sei­ne Betreu­ung in die­ser Zeit auf ande­re Wei­se sicher­ge­stellt ist. Kon­kre­te gesund­heit­li­che Ein­schrän­kun­gen, die eine zusätz­li­che per­sön­li­che Betreu­ung in die­ser Zeit erfor­dern, hat das Beru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt. Fer­ner hat das Beru­fungs­ge­richt auch nicht ermit­telt, ob die Klä­ge­rin als Leh­re­rin im Fal­le einer voll­schich­ti­gen Erwerbs­tä­tig­keit (26 Wochen­stun­den) über 16.00 Uhr hin­aus arbei­ten müss­te. Die Bil­lig­keits­ab­wä­gung, ob der Aspekt einer über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­gen Bean­spru­chung durch Erwerbs­tä­tig­keit und Kin­des­be­treu­ung oder durch ande­re eltern­be­zo­ge­ne Grün­de zu einer ein­ge­schränk­ten Erwerbs­ob­lie­gen­heit führt, obliegt grund­sätz­lich dem Tat­rich­ter und kann vom Bun­des­ge­richts­hof nur auf Rechts­feh­ler über­prüft wer­den. Zwar mag die Ent­schei­dung des Kam­mer­ge­richts im Ergeb­nis gerecht­fer­tigt sein. Da es indes an den erfor­der­li­chen Fest­stell­lun­gen und der ent­spre­chen­den Bil­lig­keits­ab­wä­gung durch das Beru­fungs­ge­richt fehlt, hat der Bun­des­ge­richts­hof das ange­foch­te­ne Urteil auf­ge­ho­ben und den Rechts­streit zur erneu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Beru­fungs­ge­richt zurückzuverweisen.

4. Die vom Beklag­ten begehr­te Befris­tung des Betreu­ungs­un­ter­halts nach § 1578 b BGB schei­det schon des­we­gen aus, weil § 1570 BGB in der seit dem 1. Janu­ar 2008 gel­ten­den Fas­sung eine Son­der­re­ge­lung für die­se Bil­lig­keits­ab­wä­gung ent­hält und inso­weit bereits alle Umstän­de des Ein­zel­fal­les abschlie­ßend zu berück­sich­ti­gen sind.

Das schließt es aber nicht aus, die Höhe des Betreu­ungs­un­ter­halts in Fäl­len, in denen kei­ne ehe- oder erzie­hungs­be­ding­ten Nach­tei­le mehr vor­lie­gen, nach Ablauf einer Über­gangs­zeit zu begren­zen. Im Ein­zel­fall kann dann der von einem höhe­ren Ein­kom­men des Unter­halts­pflich­ti­gen abge­lei­te­te Unter­halts­an­spruch nach den ehe­li­chen Lebens­ver­hält­nis­sen auf einen Unter­halts­an­spruch nach der eige­nen Lebens­stel­lung des Unter­halts­be­rech­tig­ten her­ab­ge­setzt wer­den. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lagen hier indes nicht vor, wes­halb der Senat die Ent­schei­dung des Kam­mer­ge­richts, den Unter­halt nicht zusätz­lich zu begren­zen, gebil­ligt hat.

Urteil vom 18. März 2009  XII ZR 74/08

AG Ber­lin-Pan­kow/­Wei­ßen­see – 20 F 5145/06 – Ent­schei­dung vom 29. August 2007

KG Ber­lin – 18 UF 160/07 – Ent­schei­dung vom 25. April 2008

Karls­ru­he, den 18. März 2009

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