BGH, Beschluss vom 08.03.2023, AZ XII ZB 565/20

Ausgabe: 05-2023Familienrecht

a) Mehrstaater mit sowohl deutscher als auch iranischer Staatsangehörigkeit fallen nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.

b) Ist unter deutschem Sachrecht als Abstammungsstatut bei der Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB die Frage zu klären, ob der Vaterschaftsprätendent zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war, wird die Vorfrage nach der formellen und materiellen Wirksamkeit dieser Ehe grundsätzlich selbständig angeknüpft und richtet sich daher nach dem von Art. 11 EGBGB und Art. 13 EGBGB berufenen Sachrecht (Fortführung des Senatsbeschlusses BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251).

c) Stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prüfung von Ehehindernissen die weitere Vorfrage nach dem Fortbestand der früheren Ehe eines der beiden Verlobten, wird diese grundsätzlich unselbständig angeknüpft, d.h. aus der Sicht der Rechtsordnung (einschließlich ihres Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über die materiellen Voraussetzungen für die wirksame Eingehung der neuen Ehe entscheidet.

d) Kommt es dabei auf die wirksame Auflösung der Vorehe eines Verlobten durch eine im Ausland durchgeführte Scheidung an, ist eine solche Scheidung nur dann beachtlich, wenn sie in Deutschland im Verfahren vor der Landesjustizverwaltung nach § 107 FamFG anerkannt worden ist; insoweit wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom verfahrensrechtlichen Anerkennungserfordernis überlagert (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 10. Januar 2001 – XII ZR 41/00 – FamRZ 2001, 991).

e) Leidet die Ehe nach beiden durch Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufenen Heimatrechtsordnungen der Verlobten unter dem Mangel der Doppelehe, bestimmt sich die Fehlerfolge grundsätzlich nach dem ärgeren Recht, d.h. nach dem Recht, welches die schärferen Rechtsfolgen an die Mangelhaftigkeit der Ehe knüpft (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 4. Oktober 1990 – XII ZB 200/87 – FamRZ 1991, 300). Ausnahmsweise kann im Einzelfall eine wertende Korrektur durch Heranziehung des milderen Rechts, d.h. des Rechts, welches an den Mangel der Doppelehe die am wenigsten schädlichen Rechtsfolgen für die bigamische Ehe knüpft, geboten sein, wenn die Anwendung der strengeren Fehlerfolge zu einem Ergebnis führt, welches keiner der beiden beteiligten Rechtsordnungen bei deren isolierter Betrachtung entspricht.

f) Besteht infolge einer Doppelehe der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB eine Vaterschaftsvermutung für zwei Ehemänner, ist § 1593 Satz 3 BGB analog anzuwenden, so dass die Vaterschaft dem Ehemann der späteren Ehe zugeordnet wird.

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