OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2022, AZ 10 U 28/19

Aus­ga­be: 07/08–2023Erbrecht

Der für das Erb- und Land­wirt­schafts­recht zustän­di­ge 10. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm hat über die Beru­fung eines straf­ge­richt­lich rechts­kräf­tig ver­ur­teil­ten Mör­ders in einem Ver­fah­ren wegen Erb­un­wür­dig­keit ent­schie­den. Die­ser woll­te die straf­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen zu sei­ner Täter­schaft im erb­recht­li­chen Ver­fah­ren nicht gegen sich gel­ten lassen.

Der Beklag­te wur­de im Mai 2017 wegen heim­tü­cki­schen Mor­des an sei­ner von ihm getrennt leben­den Ehe­frau vom Land­ge­richt – Schwur­ge­richt – Bie­le­feld zu einer lebens­lan­gen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt. Das Urteil ist seit Febru­ar 2018 rechts­kräf­tig. Die Revi­si­on des Beklag­ten wur­de durch den Bun­des­ge­richts­hof als unbe­grün­det ver­wor­fen. Zwei Wie­der­auf­nah­me­an­trä­ge des Beklag­ten blie­ben über bei­de Instan­zen erfolglos.
Nach dem rechts­kräf­ti­gen Straf­ur­teil hat der Beklag­te sich am Mor­gen des 15. Sep­tem­ber 2016 vor dem Haus sei­ner Ehe­frau in Bie­le­feld ver­steckt. Er war mit einer Sturm­hau­be mas­kiert und führ­te eine Schrot­flin­te bei sich. Als die Ehe­frau das Grund­stück in ihrem Fahr­zeug ver­ließ, trat der Beklag­te aus sei­nem Ver­steck her­vor und gab einen Schuss auf den Wagen ab. Hier­durch ver­lor die Ehe­frau die Kon­trol­le über das Fahr­zeug. Als die­ses zum Still­stand kam, trat der Beklag­te an die Fah­rer­tür her­an. Mit zwei wei­te­ren Schüs­sen zer­stör­te er die Schei­be und töte­te sei­ne Ehefrau.

Das Schwur­ge­richt hat sich in einer Gesamt­wür­di­gung aller Indi­zi­en von der Täter­schaft des Beklag­ten über­zeugt, der ein nach­voll­zieh­ba­res Tat­mo­tiv hat­te und mit den Ört­lich­kei­ten und Gewohn­hei­ten sei­ner Ehe­frau ver­traut war, um eine güns­ti­ge Tat­ge­le­gen­heit abzu­pas­sen. Er hat­te als Jäger Zugang zu Waf­fen und war mit deren Umgang ver­traut. Als wich­tigs­te Indi­zi­en hat das Schwur­ge­richt die DNA-Spu­ren des Beklag­ten an den am Tat­ort gefun­de­nen zwei Patro­nen­hül­sen, der Sturm­hau­be und einem Lang­waf­fen-Fut­te­ral angesehen.

Kraft gesetz­li­cher Erb­fol­ge erb­te der Beklag­te neben den bei­den mit der Getö­te­ten gemein­sa­men Kin­dern. Nach Abschluss des Straf­ver­fah­rens erho­ben die Kin­der eine Anfech­tungs­kla­ge, mit der sie sich gegen die Erb­be­rech­ti­gung ihres Vaters wand­ten. Gestützt auf die straf­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen gab das Land­ge­richt Bie­le­feld die­ser Kla­ge wegen Erb­un­wür­dig­keit statt. Die hier­ge­gen vom Beklag­ten ein­ge­leg­te Beru­fung zum Ober­lan­des­ge­richt Hamm blieb ohne Erfolg.

Erb­un­wür­dig ist unter ande­rem, wer den Erb­las­ser oder die Erb­las­se­rin vor­sätz­lich und wider­recht­lich tötet. Das Aus­schei­den als Erbe wegen Erb­un­wür­dig­keit tritt jedoch nicht auto­ma­tisch ein. Viel­mehr muss dies auf eine Anfech­tungs­kla­ge des­je­ni­gen, der von der ver­än­der­ten Erb­fol­ge pro­fi­tiert, in einem zivil­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren fest­ge­stellt wer­den. Das Zivil­ge­richt ist dabei an rechts­kräf­ti­ge Fest­stel­lun­gen eines Straf­ur­teils nicht gebun­den, son­dern muss sich in frei­er Wür­di­gung der Bewei­se selbst von der wider­recht­li­chen Tötung über­zeu­gen. Das rechts­kräf­ti­ge Straf­ur­teil kann aller­dings als Bewei­sur­kun­de ver­wen­det wer­den. Sei­ne Fest­stel­lun­gen haben beson­de­res Gewicht bei der Beweis­wür­di­gung. In der Regel wird den straf­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen zu fol­gen sein, sofern nicht gewich­ti­ge Grün­de für deren Unrich­tig­keit spre­chen. Wer sich, wie hier der Beklag­te, auf einen vom Straf­ur­teil abwei­chen­den Sach­ver­halt beruft, muss gewich­ti­ge Grün­de dar­le­gen, die gegen des­sen Rich­tig­keit sprechen.

Die vom Beklag­ten vor­ge­brach­ten Umstän­de waren zur Über­zeu­gung des Senats uner­heb­lich, so dass eine wei­te­re Beweis­auf­nah­me nicht erfor­der­lich war. Soweit er mit nähe­ren Aus­füh­run­gen erst­mals im zivil­recht­li­chen Beru­fungs­ver­fah­ren den Lebens­ge­fähr­ten sei­ner getö­te­ten Ehe­frau als ver­meint­li­chen Täter ins Spiel brach­te, konn­te er nicht dar­le­gen, war­um er dies nicht bereits viel frü­her, spä­tes­tens in der ers­ten Instanz des Zivil­ver­fah­rens vor­ge­bracht hat­te. Sei­ne Behaup­tung, dass ein Drit­ter – ins­be­son­de­re jener Lebens­ge­fähr­te – die Patro­nen­hül­sen, Sturm­hau­be und das Lang­waf­fen-Fut­te­ral gezielt am Tat­ort plat­ziert habe, um ihn zu belas­ten, ist rein spe­ku­la­tiv. Bereits das Schwur­ge­richt hat das absicht­li­che Legen fal­scher Spu­ren durch eine drit­te Per­son mit nähe­rer Begrün­dung aus­ge­schlos­sen. Hier­ge­gen spricht neben den Schwie­rig­kei­ten der Beschaf­fung des Spu­ren­ma­te­ri­als vor allem auch der zeit­li­che Ablauf nach der Tat, da die Mut­ter der Getö­te­ten unmit­tel­bar nach den Schüs­sen zum Tat­ort eil­te. Sei­ne nun­mehr vor­ge­brach­ten Ein­wän­de gegen die Bewer­tung der DNA-Spu­ren stel­len die straf­ge­richt­li­che Wür­di­gung die­ser Spu­ren nicht in Frage.

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