(Stutt­gart) Der u.a. für das Betreu­ungs­recht zustän­di­ge XII. Zivil­se­nat hat in zwei Ver­fah­ren ent­schie­den, dass es gegen­wär­tig an einer den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen genü­gen­den gesetz­li­chen Grund­la­ge für eine betreu­ungs­recht­li­che Zwangs­be­hand­lung fehlt.

Dar­auf ver­weist der Nürn­ber­ger Fach­an­walt für Fami­li­en­recht Mar­tin Weis­pfen­ning, Vize­prä­si­dent und Geschäfts­füh­rer „Fami­li­en­recht” der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 17.07.2012 zu sei­nen Beschlüs­sen vom 20. Juni 2012 — XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12.

In bei­den Ver­fah­ren begehr­ten die Betreue­rin­nen die Geneh­mi­gung einer Zwangs­be­hand­lung der wegen einer psy­chi­schen Erkran­kung unter Betreu­ung ste­hen­den, ein­wil­li­gungs­un­fä­hi­gen und geschlos­sen unter­ge­brach­ten Betrof­fe­nen. Die­se benö­ti­gen wegen ihrer Erkran­kung zwar eine medi­ka­men­tö­se Behand­lung, leh­nen die Behand­lung krank­heits­be­dingt aber ab. Die Anträ­ge der Betreue­rin­nen blie­ben vor dem Amts­ge­richt und dem Land­ge­richt erfolg­los. Mit den von den Land­ge­rich­ten zuge­las­se­nen Rechts­be­schwer­den ver­folg­ten die Betreue­rin­nen ihre Anträ­ge auf betreu­ungs­ge­richt­li­che Geneh­mi­gung der Zwangs­be­hand­lung weiter. 

Der XII. Zivil­se­nat des BGH hat bei­de Rechts­be­schwer­den zurück­ge­wie­sen, so Weispfenning.

Im Rah­men des Wir­kungs­krei­ses der Gesund­heits­vor­sor­ge kann einem Betreu­er die Befug­nis über­tra­gen wer­den, an Stel­le des Betrof­fe­nen in des­sen ärzt­li­che Behand­lung ein­zu­wil­li­gen. Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Senats umfass­te dies auch die Befug­nis, einen der ärzt­li­chen Maß­nah­me ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len des Betrof­fe­nen zu über­win­den, wenn der Betrof­fe­ne geschlos­sen unter­ge­bracht war und das Betreu­ungs­ge­richt die Unter­brin­gung zur Heil­be­hand­lung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB geneh­migt hat­te. Hier­an hält der Bun­des­ge­richts­hof nicht mehr fest. Dies ergibt sich aus Folgendem: 

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat­te in zwei grund­le­gen­den Beschlüs­sen aus dem Jahr 2011 (BVerfG FamRZ 2011, 1128 und FamRZ 2011, 1927) ent­schie­den, dass die Zwangs­be­hand­lung eines im straf­recht­li­chen Maß­re­gel­voll­zug Unter­ge­brach­ten nur auf der Grund­la­ge eines Geset­zes zuläs­sig ist, das die Vor­aus­set­zung für die Zuläs­sig­keit des Ein­griffs bestimmt. Die weit­rei­chen­den Befug­nis­se der Unter­brin­gungs­ein­rich­tung und die dadurch ein­ge­schränk­ten Mög­lich­kei­ten der Unter­stüt­zung und Beglei­tung durch Außen­ste­hen­de setz­ten den Unter­ge­brach­ten in eine Situa­ti­on außer­or­dent­li­cher Abhän­gig­keit, in der er beson­de­ren Schut­zes auch dage­gen bedür­fe, dass sei­ne grund­recht­lich geschütz­ten Belan­ge etwa auf­grund von Eigen­in­ter­es­sen der Ein­rich­tung oder ihrer Mit­ar­bei­ter bei nicht auf­ga­ben­ge­rech­ter Per­so­nal­aus­stat­tung oder auf­grund von Betriebs­rou­ti­nen unzu­rei­chend gewür­digt würden. 

Die­se Vor­ga­ben sind nach Auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­hofs im Wesent­li­chen auf die Zwangs­be­hand­lung im Rah­men einer betreu­ungs­recht­li­chen Unter­brin­gung zu über­tra­gen. Zwar ist der Betreu­er im Rah­men sei­nes Wir­kungs­krei­ses grund­sätz­lich zur Ver­tre­tung des Betrof­fe­nen befugt. Beson­ders gra­vie­ren­de Ein­grif­fe in die Rech­te des Betrof­fe­nen bedür­fen aber schon aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Grün­den einer aus­drück­li­chen gericht­li­chen Geneh­mi­gung; inso­weit ist die sich aus den §§ 1901, 1902 BGB erge­ben­de Rechts­macht des Betreu­ers ein­ge­schränkt. So müs­sen etwa beson­ders gefähr­li­che ärzt­li­che Maß­nah­men nach § 1904 BGB, eine Ste­ri­li­sa­ti­on nach § 1905 BGB, eine geschlos­se­ne Unter­brin­gung nach § 1906 BGB und die Auf­ga­be der Miet­woh­nung eines Betrof­fe­nen nach § 1907 BGB zuvor durch das Betreu­ungs­ge­richt geneh­migt werden. 

Eine ent­spre­chen­de gesetz­li­che Grund­la­ge für die gebo­te­ne staat­li­che Kon­trol­le des Betreu­er­han­delns fehlt hin­ge­gen hin­sicht­lich einer Zwangs­be­hand­lung des Betrof­fe­nen. Jene muss nach Auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­hofs inhalt­lich den glei­chen Anfor­de­run­gen genü­gen, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Rah­men des straf­recht­li­chen Maß­re­gel­voll­zugs auf­ge­stellt hat. Die mate­ri­el­len Vor­schrif­ten des Betreu­ungs­rechts, ins­be­son­de­re § 1906 BGB als Grund­la­ge für eine blo­ße Frei­heits­ent­zie­hung, und die Ver­fah­rens­vor­schrif­ten des Geset­zes über das Ver­fah­ren in Fami­li­en­sa­chen und in den Ange­le­gen­hei­ten der frei­wil­li­gen Gerichts­bar­keit (FamFG) genü­gen die­sen ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen nicht. 

Weis­pfen­ning emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

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