(Stutt­gart) Der u. a. für das Bank­recht zustän­di­ge XI. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat auf­grund der Unter­las­sungs­kla­ge eines Ver­brau­cher­schutz­ver­bands ent­schie­den, dass die nach­fol­gen­de Bestim­mung in Nr. 5 Abs. 1 der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen der beklag­ten Spar­kas­se im Bank­ver­kehr mit Pri­vat­kun­den (Ver­brau­chern) nicht ver­wen­det wer­den darf, weil sie die­se unan­ge­mes­sen benach­tei­ligt und des­we­gen nach § 307 BGB unwirk­sam ist: 

Nr. 5 Legitimationsurkunden 

(1) Erb­nach­wei­se

Nach dem Tode des Kun­den kann die Spar­kas­se zur Klä­rung der rechts­ge­schäft­li­chen Berech­ti­gung die Vor­le­gung eines Erb­scheins, eines Tes­ta­ments­voll­stre­ckerzeug­nis­ses oder ähn­li­cher gericht­li­cher Zeug­nis­se ver­lan­gen; fremd­spra­chi­ge Urkun­den sind auf Ver­lan­gen der Spar­kas­se mit deut­scher Über­set­zung vor­zu­le­gen. Die Spar­kas­se kann auf die Vor­le­gung eines Erb­scheins oder eines Tes­ta­ments­voll­stre­ckerzeug­nis­ses ver­zich­ten, wenn ihr eine Aus­fer­ti­gung oder eine beglau­big­te Abschrift vom Tes­ta­ment oder Erb­ver­trag des Kun­den sowie der Nie­der­schrift über die zuge­hö­ri­ge Eröff­nungs­ver­hand­lung vor­ge­legt wird.”

Dar­auf ver­weist der Stutt­gar­ter Fach­an­walt für Erbrecht Micha­el Henn, Vize­prä­si­dent und geschäfts­füh­ren­des Vor­stands­mit­glied der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. (DANSEF) mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 8.10.2013 zu sei­nem Urteil vom sel­ben Tage, Az. XI ZR 401/12.

Die Instanz­ge­rich­te haben der Unter­las­sungs­kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Revi­si­on der beklag­ten Spar­kas­se hat der XI. Zivil­se­nat zurück­ge­wie­sen und zur Begrün­dung ausgeführt: 

Die bean­stan­de­ten Rege­lun­gen in Nr. 5 Abs. 1 der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen stel­len kon­troll­fä­hi­ge Abwei­chun­gen von Rechts­vor­schrif­ten dar. Der Erbe ist von Rechts wegen nicht ver­pflich­tet, sein Erbrecht durch einen Erb­schein nach­zu­wei­sen, son­dern kann die­sen Nach­weis auch in ande­rer Form füh­ren. Abwei­chend hier­von kann die Beklag­te nach dem Wort­laut von Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 ihrer All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen die Vor­la­ge eines Erb­scheins zum Nach­weis des Erb­rechts unab­hän­gig davon ver­lan­gen, ob im kon­kre­ten Ein­zel­fall das Erbrecht über­haupt zwei­fel­haft ist oder ob es auch auf ande­re — ein­fa­che­re und/oder kos­ten­güns­ti­ge­re — Art nach­ge­wie­sen wer­den könn­te. Soweit nach der strei­ti­gen Rege­lung die Vor­la­ge der dar­in genann­ten Urkun­den “zur Klä­rung der rechts­ge­schäft­li­chen Berech­ti­gung” ver­langt wer­den kann, ist damit ledig­lich der Anlass umschrie­ben, mit dem die Spar­kas­se ihr Ver­lan­gen nach Vor­la­ge eines Erb­scheins begrün­det. Die Ent­schei­dung hin­ge­gen, wann die Berech­ti­gung des Erben “klä­rungs­be­dürf­tig” ist, steht wie­der­um im Ermes­sen der Beklag­ten. Die strei­ti­ge Klau­sel kann auch nicht wegen der Ver­wen­dung des Wor­tes “kann” in Satz 1 und 2 ein­schrän­kend dahin aus­ge­legt wer­den, dass der Spar­kas­se ein Spiel­raum zusteht, den sie nur nach “bil­li­gem Ermes­sen” aus­üben darf. Selbst unter Zugrun­de­le­gung eines sol­chen Ent­schei­dungs­maß­stabs wür­de jeden­falls der wei­te Spiel­raum der Bil­lig­keit nicht den Anfor­de­run­gen an die Ein­gren­zung und Kon­kre­ti­sie­rung einer For­mu­lar­be­stim­mung genügen. 

Der danach eröff­ne­ten Inhalts­kon­trol­le hal­ten die ange­grif­fe­nen Rege­lun­gen nicht stand. Das unein­ge­schränk­te Recht der Beklag­ten, zur Klä­rung der rechts­ge­schäft­li­chen Berech­ti­gung die Vor­le­gung eines Erb­scheins zu ver­lan­gen bzw. in bestimm­ten Situa­tio­nen dar­auf zu ver­zich­ten, ist mit wesent­li­chen Grund­ge­dan­ken der gesetz­li­chen Rege­lung, von der abge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benach­tei­ligt die Kun­den der Beklag­ten ent­ge­gen den Gebo­ten von Treu und Glau­ben unan­ge­mes­sen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). 

Die Klau­sel gewährt der Beklag­ten gene­rell und unab­hän­gig davon, ob im Ein­zel­fall das Erbrecht zwei­fel­haft ist oder durch ande­re Doku­men­te ein­fa­cher und/oder kos­ten­güns­ti­ger nach­ge­wie­sen wer­den kann, das Recht, auf der Vor­la­ge eines Erb­scheins zu bestehen. Zwar hat eine Spar­kas­se nach dem Tod eines Kun­den grund­sätz­lich ein berech­tig­tes Inter­es­se dar­an, der Gefahr einer dop­pel­ten Inan­spruch­nah­me sowohl durch einen etwai­gen Schein­er­ben als auch durch den wah­ren Erben des Kun­den zu ent­ge­hen. Dar­aus folgt indes nicht, dass sie ein­schrän­kungs­los die Vor­le­gung eines Erb­scheins ver­lan­gen kann. Viel­mehr sind im Rah­men der anzu­stel­len­den Inter­es­sen­ab­wä­gung die Inter­es­sen des (wah­ren) Erben — der als Rechts­nach­fol­ger in die Stel­lung des Erb­las­sers als Ver­trags­part­ner der Spar­kas­se ein­ge­rückt ist und auf des­sen mög­li­che Benach­tei­li­gung es daher ankommt — vor­ran­gig. Ihm ist regel­mä­ßig nicht dar­an gele­gen, auch in Fäl­len, in denen er sein Erbrecht unpro­ble­ma­tisch anders als durch Vor­la­ge eines Erb­scheins nach­wei­sen kann, das unnüt­ze Kos­ten ver­ur­sa­chen­de und zu einer Ver­zö­ge­rung der Nach­lass­re­gu­lie­rung füh­ren­de Erb­schein­ver­fah­ren anstren­gen zu müs­sen. Eben­so wenig kann er auf die Mög­lich­keit ver­wie­sen wer­den, von ihm zunächst — zu Unrecht — ver­aus­lag­te Kos­ten spä­ter im Wege des Scha­dens­er­sat­zes, ggf. sogar nur unter Beschrei­tung des Kla­ge­we­ges von der Spar­kas­se, erstat­tet zu ver­lan­gen. Schließ­lich strei­tet auch die Son­der­re­ge­lung des § 35 Abs. 1 der Grund­buch­ord­nung (GBO) nicht für die Wirk­sam­keit der ange­foch­te­nen Klau­sel. Die­se knüpft sogar höhe­re Anfor­de­run­gen an den Erb­fol­genach­weis als sie im Grund­buch­recht von Geset­zes wegen bestehen. 

Henn riet, das zu beach­ten und in Zwei­fels­fäl­len recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ — innen in der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., — www.dansef.de — verwies.

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