(Stutt­gart) Der Bun­des­ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass das post­mor­ta­le Per­sön­lich­keits­recht des Ver­stor­be­nen im Fal­le einer für die Fest­stel­lung der Vater­schaft erfor­der­li­chen DNA-Unter­su­chung und einer damit ein­her­ge­hen­den Exhu­mie­rung regel­mä­ßig hin­ter das Recht des Kin­des auf Kennt­nis der eige­nen Abstam­mung zurücktritt.

Dar­auf ver­weist der Ham­mer Fach­an­walt für Fami­li­en­recht Cas­par Blu­men­berg, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung des des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 14.11.2014 zu sei­nem Beschluss vom 29.10.2014 (XII ZB 20/14).

Die im Jahr 1944 gebo­re­ne und in der frü­he­ren DDR auf­ge­wach­se­ne Antrag­stel­le­rin begehrt die Fest­stel­lung, dass der 2011 ver­stor­be­ne S. ihr Vater sei. Die Antrag­stel­le­rin hat behaup­tet, dass S. in der gesetz­li­chen Emp­fäng­nis­zeit Geschlechts­ver­kehr mit ihrer Mut­ter gehabt habe. Die­se habe ihr an ihrem 18. Geburts­tag die Vater­schaft von S. offen­bart. Ihre Mut­ter habe sie in den Nach­kriegs­jah­ren zu der Fami­lie S. in West­deutsch­land rei­sen las­sen, wo sie engen Kon­takt zu ihrer “S.-Oma” gehabt habe. Bei einem spä­te­ren Tref­fen mit S. sei die­ser selbst­ver­ständ­lich davon aus­ge­gan­gen, ihr Vater zu sein.

Das Amts­ge­richt hat die Anträ­ge der Antrag­stel­le­rin, die Lei­che von S. zu exhu­mie­ren, eine Gewe­be­pro­be zu ent­neh­men und die Vater­schaft fest­zu­stel­len, zurück­ge­wie­sen. Auf ihre Beschwer­de hat das Ober­lan­des­ge­richt die Exhu­mie­rung der Lei­che zum Zwe­cke der Erstel­lung eines DNA-Abstam­mungs­gut­ach­tens ange­ord­net. Der ehe­li­che Sohn von S. hat die Ein­wil­li­gung in die Exhu­mie­rung und Gewe­be­pro­ben­ent­nah­me ver­wei­gert. Mit einem Zwi­schen­be­schluss hat das Ober­lan­des­ge­richt die­se Wei­ge­rung für unbe­rech­tigt erklärt. Hier­ge­gen wen­det sich der Sohn des Ver­stor­be­nen mit der zuge­las­se­nen Rechtsbeschwerde.

Die Rechts­be­schwer­de blieb erfolg­los. Der Antrag auf Fest­stel­lung der Vater­schaft ist zuläs­sig, weil die Anga­ben der Antrag­stel­le­rin aus­rei­chen­de Anhalts­punk­te für eine Vater­schaft des S. ent­hal­ten, ihre Behaup­tung also nicht ins Blaue hin­ein erfolgt ist. Die Exhu­mie­rung ist auch des­halb erfor­der­lich, weil sich der Sohn des S. gewei­gert hat, eige­nes DNA-Mate­ri­al für die Begut­ach­tung zur Ver­fü­gung zu stellen.

Dem ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ten Recht des Kin­des auf Kennt­nis der eige­nen Abstam­mung ist gegen­über der Toten­ru­he des Ver­stor­be­nen grund­sätz­lich der Vor­rang ein­zu­räu­men. Sowohl nach der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on als auch nach dem Grund­ge­setz kommt dem Recht des Kin­des auf Kennt­nis der eige­nen Abstam­mung beson­de­re Bedeu­tung zu. Sofern im Ein­zel­fall durch die Unter­su­chung eine Ver­let­zung des post­mor­ta­len Per­sön­lich­keits­rechts des Ver­stor­be­nen droht und damit das Recht des Kin­des auf Kennt­nis der eige­nen Abstam­mung zurück­zu­tre­ten hat, kann dem im Rah­men der Zumut­bar­keits­prü­fung des ent­spre­chend anzu­wen­den­den § 178 Abs. 1 FamFG hin­rei­chend Rech­nung getra­gen wer­den. Sol­che beson­de­ren Grün­de, die gegen eine Exhu­mie­rung und eine Begut­ach­tung spre­chen könn­ten, lagen im vor­lie­gen­den Fall nicht vor.

Das Inter­es­se der Antrag­stel­le­rin an der Fest­stel­lung der Vater­schaft wird nicht dadurch geschmä­lert, dass sie bereits seit lan­ger Zeit über die mög­li­che Vater­schaft des S. infor­miert gewe­sen war bzw. kei­ne Zwei­fel mehr an sei­ner Vater­schaft hat­te. Ihr Inter­es­se ist auch des­we­gen nicht gerin­ger zu bewer­ten, weil sie damit vor allem die Gel­tend­ma­chung eines Erb­rechts ver­folgt. Das Wis­sen um die eige­ne Her­kunft ist von zen­tra­ler Bedeu­tung für das Ver­ständ­nis und die Ent­fal­tung der eige­nen Indi­vi­dua­li­tät. Dar­an ändert nichts, dass im Ein­zel­fall bei der Klä­rung der Abstam­mungs­fra­ge ver­mö­gens­recht­li­che Inter­es­sen im Vor­der­grund ste­hen kön­nen. Zudem stellt die Teil­ha­be an dem väter­li­chen Erbe ein legi­ti­mes Inter­es­se des leib­li­chen Kin­des dar.

Blu­men­berg emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

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