BFH, Beschluss vom 11.07.2019, AZ II R 38/16

Aus­ga­be: 11–2019Erb­schafts­steu­er­recht

Die Erb­schaft­steu­er­be­frei­ung für den Erwerb eines Fami­li­en­heims durch den über­le­ben­den Ehe­gat­ten oder Lebens­part­ner ent­fällt rück­wir­kend, wenn der Erwer­ber das Eigen­tum an dem Fami­li­en­heim inner­halb von zehn Jah­ren nach dem Erwerb auf einen Drit­ten über­trägt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbst­nut­zung zu Wohn­zwe­cken auf­grund eines lebens­lan­gen Nieß­brauchs fort­setzt, wie der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) mit Urteil vom 11.07.2019 — II R 38/16 ent­schie­den hat. 

Nach dem Tod ihres Ehe­man­nes hat­te die Klä­ge­rin das gemein­sam bewohn­te Ein­fa­mi­li­en­haus geerbt und war dar­in woh­nen geblie­ben. Andert­halb Jah­re nach dem Erb­fall schenk­te sie das Haus ihrer Toch­ter. Sie behielt sich einen lebens­lan­gen Nieß­brauch vor und zog nicht aus. Das Finanz­amt gewähr­te die Steu­er­be­frei­ung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erb­schaft­steu­er- und Schen­kung­steu­er­ge­set­zes (ErbStG) rück­wir­kend nicht mehr, weil die Klä­ge­rin das Fami­li­en­heim ver­schenkt hatte. 

Steu­er­frei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG unter den dort näher bezeich­ne­ten Vor­aus­set­zun­gen der Erwerb des Eigen­tums oder Mit­ei­gen­tums an einem sog. Fami­li­en­heim von Todes wegen durch den über­le­ben­den Ehe­gat­ten oder Lebens­part­ner. Fami­li­en­heim ist ein bebau­tes Grund­stück, auf dem der Erb­las­ser bis zum Erb­fall eine Woh­nung oder ein Haus zu eige­nen Wohn­zwe­cken genutzt hat. Beim Erwer­ber muss die Immo­bi­lie unver­züg­lich “zur Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken” bestimmt sein. Auf­grund eines sog. Nach­ver­steue­rungs­tat­be­stands ent­fällt die Steu­er­be­frei­ung mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit, wenn der Erwer­ber das Fami­li­en­heim inner­halb von zehn Jah­ren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohn­zwe­cken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwin­gen­den Grün­den an einer “Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken” gehindert.

Das Finanz­ge­richt und der BFH bestä­tig­ten das rück­wir­ken­de Ent­fal­len der Steu­er­be­güns­ti­gung. Mit der Steu­er­be­frei­ung habe der Gesetz­ge­ber den fami­liä­ren Lebens­raum schüt­zen und die Bil­dung von Wohn­ei­gen­tum durch die Fami­lie för­dern wol­len. Des­halb kön­ne die Befrei­ung nur der­je­ni­ge über­le­ben­de Ehe­gat­te oder Lebens­part­ner in Anspruch neh­men, der Eigen­tü­mer der Immo­bi­lie wird und sie selbst zum Woh­nen nutzt. Wird die Nut­zung inner­halb von zehn Jah­ren nach dem Erwerb auf­ge­ge­ben, ent­fällt die Befrei­ung rück­wir­kend. Glei­ches gilt bei der Auf­ga­be des Eigen­tums. Andern­falls könn­te eine Immo­bi­lie steu­er­frei geerbt und kur­ze Zeit spä­ter wei­ter­ver­äu­ßert wer­den. Dies wür­de dem För­de­rungs­ziel zuwi­der­lau­fen. Hät­ten in dem Nach­ver­steue­rungs­tat­be­stand Aus­sa­gen ledig­lich zur wei­te­ren Nut­zung des Fami­li­en­heims inner­halb von zehn Jah­ren nach dem Erwerb getrof­fen wer­den sol­len, hät­te die kür­ze­re For­mu­lie­rung “Selbst­nut­zung zu Wohn­zwe­cken” oder “Nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken” aus­ge­reicht. Der in der Vor­schrift ver­wen­de­te Begriff “Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken” spre­che dafür, dass sowohl die Nut­zung als auch die Eigen­tü­mer­stel­lung des über­le­ben­den Ehe­gat­ten oder Lebens­part­ners wäh­rend des Zehn­jah­res­zeit­raums bestehen blei­ben müssten.

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