BGH, Beschluss vom 29.03.2023, AZ XII ZB 515/22

Aus­ga­be: 05–2023Betreu­ungs­recht

a) Ein Bevoll­mäch­tig­ter ist unge­eig­net, die Ange­le­gen­hei­ten des Betrof­fe­nen nach des­sen Wün­schen zu besor­gen, wenn zu befürch­ten ist, dass er die Ange­le­gen­hei­ten des Voll­macht­ge­bers nicht ent­spre­chend der Ver­ein­ba­rung oder dem erklär­ten oder mut­maß­li­chen Wil­len des Voll­macht­ge­bers besorgt. Erge­ben sich aus der Ver­ein­ba­rung und dem erklär­ten Wil­len des Voll­macht­ge­bers kei­ne kon­kre­ten Vor­ga­ben, kann der Betrof­fe­ne sei­ne Wün­sche nicht mehr äußern und bestehen auch kei­ne indi­vi­du­el­len Anhalts­punk­te für sei­nen mut­maß­li­chen Wil­len, rich­tet sich die­ser nach sei­nen objek­ti­ven Bedürfnissen.

b) Die Mög­lich­keit des Betreu­ungs­ge­richts, nach § 34 Abs. 2 FamFG von einer per­sön­li­chen Anhö­rung des Betrof­fe­nen abzu­se­hen, wenn die­ser offen­sicht­lich nicht in der Lage ist, sei­nen Wil­len kund­zu­tun, ent­bin­det das Gericht nicht von der in § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG ent­hal­te­nen Ver­pflich­tung, sich einen per­sön­li­chen Ein­druck vom Betrof­fe­nen zu ver­schaf­fen (im Anschluss an Senats­be­schluss vom 4. Novem­ber 2020 — XII ZB 344/20 — FamRZ 2021, 224).

c) Sind beheb­ba­re Män­gel bei der Aus­übung einer Vor­sor­ge­voll­macht fest­zu­stel­len, erfor­dert der Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz grund­sätz­lich zunächst den Ver­such, mit­tels eines zu bestel­len­den Kon­troll­be­treu­ers auf den Bevoll­mäch­tig­ten posi­tiv ein­zu­wir­ken, ins­be­son­de­re durch Ver­lan­gen nach Aus­kunft und Rechen­schafts­le­gung (§ 666 BGB) sowie die Aus­übung bestehen­der Wei­sungs­rech­te (im Anschluss an Senats­be­schluss vom 8. Janu­ar 2020 — XII ZB 368/19 — FamRZ 2020, 629).

d) Besteht die drin­gen­de Gefahr, dass ein Bevoll­mäch­tig­ter durch feh­len­de Bereit­schaft zum Kon­sens mit ande­ren Bevoll­mäch­tig­ten nicht den Wün­schen des Voll­macht­ge­bers ent­spre­chend han­delt und dadurch die Per­son des Voll­macht­ge­bers oder des­sen Ver­mö­gen erheb­lich gefähr­det, kann das Betreu­ungs­ge­richt gemäß § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB anord­nen, dass er die ihm erteil­te Voll­macht ins­ge­samt oder in bestimm­ten Ange­le­gen­hei­ten nicht aus­üben darf.

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