(Stutt­gart) Die in einem isla­misch-sun­ni­ti­schen Ehe­ver­trag für den Fall der Ehe­schei­dung zuguns­ten der Ehe­frau ver­ein­bar­te “Abend­ga­be” schul­det der Ehe­mann auch dann, wenn die Ehe­frau die Schei­dung bean­tragt und die­ser daher kein “talaq” (Schei­dungs­ver­sto­ßung) des Ehe­manns zugrun­de liegt.

Dar­auf ver­weist der Ham­mer Fach­an­walt für Fami­li­en­recht Cas­par Blu­men­berg, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts Hamm vom 6.07.2016 zu sei­nem Beschluss vom 22.04.2016 (3 UF 262/15).

Der heu­te 31 Jah­re alte Antrags­geg­ner, deut­scher Staats­bür­ger liba­ne­si­scher Abstam­mung, lebt seit Mit­te der 1980er Jah­re in Deutsch­land. Im Jah­re 2005 arran­gier­ten die Eltern der Betei­lig­ten sei­ne Ehe mit der heu­te 27 Jah­re alten Antrag­stel­le­rin, einer sei­ner­zeit im Liba­non leben­den Liba­ne­sin. Zum Zwe­cke der Ehe­schlie­ßung flog der Antrags­geg­ner in den Liba­non. Dort hei­ra­te­ten die der mus­li­misch-sun­ni­ti­schen Reli­gi­on ange­hö­ren­den Ehe­leu­te im Dezem­ber 2005 nach isla­misch-sun­ni­ti­schen Recht vor dem Scha­ria-Gericht in Bei­rut. Dabei schlos­sen sie vor dem Gericht einen schrift­li­chen Ehe­ver­trag mit der Ver­ein­ba­rung eines vom Ehe­mann zu Guns­ten der Ehe­frau zu leis­ten­den Braut­gel­des. Die­ses soll­te aus einer “Mor­gen­ga­be” in Form einer Abschrift des hei­li­gen Korans und einer eng­li­schen Gold­li­ra sowie einer “Abend­ga­be” von 15.000 US-Dol­lar bestehen. Aus der Ehe sind drei Kin­der her­vor­ge­gan­gen. 2013 trenn­ten sich die in Bochum leben­den Ehe­leu­te. 2014 bean­trag­te die Antrag­stel­le­rin die Schei­dung und begehr­te die Zah­lung der “Abend­ga­be” von 15.000 US-Dol­lar (umge­rech­net 13.260 Euro). Mit Beschluss vom 17.11.2015 hat das Fami­li­en­ge­richt u.a. die Schei­dung aus­ge­spro­chen und den Antrags­geg­ner auf­grund des abge­schlos­se­nen Ehe­ver­tra­ges zur Zah­lung der “Abend­ga­be” verpflichtet.

Die Beschwer­de des Antrags­geg­ners gegen den Beschluss des Fami­li­en­ge­richts ist nach der Ent­schei­dung des 3. Senats für Fami­li­en­sa­chen des Ober­lan­des­ge­richts Hamm erfolg­los geblieben.

Die Ehe der Betei­lig­ten sei vom Fami­li­en­ge­richt zu Recht, so der Senat, nach deut­schem Recht geschie­den wor­den. Maß­geb­lich sei inso­weit der gewöhn­li­che Auf­ent­halt der Betei­lig­ten bei der Ein­lei­tung des Schei­dungs­ver­fah­rens im Jah­re 2014, der in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gele­gen habe und hier noch lie­ge. Das isla­mi­sche Schei­dungs­recht sei von den Betei­lig­ten für den Fall einer Schei­dung nicht ver­ein­bart worden.

Der gel­tend gemach­ten Abfin­dungs­be­trag, die “Abend­ga­be”, ste­he der Antrag­stel­le­rin zu. Die Betei­lig­ten hät­ten in dem Ehe­ver­trag aus dem Jah­re 2005 einen sog. “Mahr”, eine vom Ehe­mann zu erbrin­gen­de Braut­ga­be, wirk­sam ver­ein­bart. Die­se bestehe aus der bei Ehe­schlie­ßung fäl­li­gen “Mor­gen­ga­be” und der bei der Schei­dung fäl­li­gen “Abend­ga­be”.

Für den Abschluss des Ehe­ver­tra­ges gel­te das isla­misch-sun­ni­ti­sche Recht. Nach die­sem Recht sei der Ver­trag vor dem Scha­ria-Gericht unter Betei­li­gung von Zeu­gen durch die Betei­lig­ten wirk­sam abge­schlos­sen worden.

Für den wei­te­ren Voll­zug des Ver­tra­ges gel­te aller­dings deut­sches Recht. Durch die “Abend­ga­be” habe die Ehe­frau nach einer Schei­dung eine gewis­se Absi­che­rung erhal­ten sol­len. Das sei mit nach­ehe­li­chen Unter­halts­pflich­ten ver­gleich­bar. Für die­se sei das Recht des Staa­tes maß­ge­bend, in dem die berech­tig­te Per­son, vor­lie­gend die Antrag­stel­le­rin, ihren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt wäh­rend der Ehe, nach der Tren­nung und bei der Ein­lei­tung des Schei­dungs­ver­fah­rens gehabt habe. Die­se Orte lägen im zu ent­schei­den­den Fall in Deutschland.

Nach den Ver­ein­ba­run­gen im Ehe­ver­trag schul­de der Antrags­geg­ner der Antrag­stel­le­rin im Fall der Schei­dung die ver­ein­bar­te “Abend­ga­be”. Die wei­te­re Vor­aus­set­zung des isla­mi­schem Rechts, nach der ein Ehe­mann die “Abend­ga­be” nur im Fal­le eines von ihm aus­ge­hen­den “talaq” zu zah­len habe, nicht aber, wenn — wie vor­lie­gend — die Auf­lö­sung der Ehe von der Ehe­frau aus­ge­he, kön­ne dage­gen nicht auf das deut­sche Recht über­tra­gen wer­den. Das fol­ge aus dem kol­li­si­ons­recht­li­chen Prin­zip des Ord­re Public. Die in Fra­ge ste­hen­de Ein­schrän­kung des isla­mi­schen Rechts sei mit wesent­li­chen Grund­ge­dan­ken des deut­schen Ehe­schei­dungs- und Nach­schei­dungs­un­ter­halts­rechts nicht zu ver­ein­ba­ren. Im deut­schen Recht sei, anders als nach isla­mi­schem Recht, nach­ehe­li­cher Unter­halt grund­sätz­lich unab­hän­gig vom Tren­nungs­grund und auch ver­schul­dens­un­ab­hän­gig zu leisten.

Anmer­kung des OLG: Nach dem im Kol­li­si­ons­recht gel­ten­den Grund­satz des Ord­re Public ist aus­län­di­sches Recht (aus­nahms­wei­se) dann nicht an-zuwen­den, wenn es wesent­li­chen Grund­sät­zen des inlän­di­schen Rechts widerspricht.

Blu­men­berg emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

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