(Stutt­gart) Exis­tie­ren zwei Ori­gi­na­le eines Tes­ta­ments, genügt die Ver­nich­tung nur eines der bei­den Doku­men­te, wenn der Auf­he­bungs­wil­le der Erb­las­se­rin feststeht.

Dar­auf ver­weist der Stutt­gar­ter Fach­an­walt für Erbrecht Micha­el Henn, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e.V., mit dem Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts Köln vom 26.05.2020 zu sei­nem Beschluss vom 22.04.2020 — Az. 2 Wx 84/20.

Die im Land­ge­richts­be­zirk Bonn wohn­haf­te Erb­las­se­rin hat­te zunächst ihren Uren­kel als Erben ein­ge­setzt. Spä­ter ver­fass­te sie ein hand­schrift­li­ches Tes­ta­ment, mit dem anstel­le des Uren­kels ihre Haus­häl­te­rin zur Allein­er­bin bestimmt wur­de. Außer­dem erteil­te sie der Haus­häl­te­rin eine Vor­sor­ge- und Bank­voll­macht und ver­kauf­te die­ser — gegen einen Bar­kauf­preis sowie eine Betreu­ungs- und Pfle­ge­ver­pflich­tung — ihr Hausgrundstück.

Nach­dem die Haus­häl­te­rin mit Hil­fe der Bank­voll­macht 50.000 Euro vom Kon­to der spä­te­ren Erb­las­se­rin abge­ho­ben hat­te, wider­rief die­se die Voll­macht. Sie such­te außer­dem einen Rechts­an­walt auf, um sich wegen einer mög­li­chen Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über das Haus bera­ten zu lassen.

Das Nach­lass­ge­richt hat­te zu ent­schei­den, ob dem Uren­kel ein Erb­schein erteilt wer­den kann. Dem Gericht lag ein Ori­gi­nal des Tes­ta­ments zu Guns­ten der Haus­häl­te­rin vor, wel­ches der Rechts­an­walt der Haus­häl­te­rin über­sandt hat­te. Der Uren­kel behaup­te­te dage­gen, die Erb­las­se­rin habe das Tes­ta­ment wider­ru­fen. Es habe ein zwei­tes Ori­gi­nal des Tes­ta­ments gege­ben. Die­ses habe die Erb­las­se­rin im Rah­men der Bera­tung zur Rück­ab­wick­lung des Haus­kaufs ihrem Rechts­an­walt gezeigt und es vor sei­nen Augen zer­ris­sen. Des­halb gel­te wie­der die frü­he­re Erbein­set­zung zu sei­nen Gunsten.

Nach Ver­neh­mung der Rechts­an­wäl­te der Erb­las­se­rin und der Haus­häl­te­rin als Zeu­gen kam das Nach­lass­ge­richt zu dem Ergeb­nis, dass der Uren­kel Allein­er­be gewor­den und ihm ein Erb­schein zu ertei­len ist. Mit Beschluss vom 22.04.2020 hat der 2. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts die hier­ge­gen gerich­te­te Beschwer­de der Haus­häl­te­rin zurückgewiesen.

Zur Begrün­dung führ­te der Senat aus, dass der Erb­las­ser ein Tes­ta­ment jeder­zeit ohne beson­de­ren Grund wider­ru­fen kön­ne (§ 2253 BGB). Dies kön­ne zum Bei­spiel durch Ver­nich­tung der Tes­ta­ments­ur­kun­de erfol­gen (§ 2255 S. 1 BGB). Sofern jedoch meh­re­re Urschrif­ten vor­han­den sei­en, kön­ne die Ver­nich­tung ledig­lich einer Urkun­de nur genü­gen, wenn kei­ne Zwei­fel über den Auf­he­bungs­wil­len des Erb­las­sers bestün­den. Dies sei hier der Fall. Der Anwalt der Erb­las­se­rin, der kein erkenn­ba­res per­sön­li­ches Inter­es­se am Aus­gang des Streits gehabt habe, habe glaub­haft aus­ge­sagt, dass die Erb­las­se­rin ein Ori­gi­nal des Tes­ta­ments in sei­ner Anwe­sen­heit zer­stört habe. Dabei habe sie zwei­fels­frei bekun­det, dass sie nicht an der Erbein­set­zung der Haus­häl­te­rin fest­hal­ten wol­le. Dazu pas­se, dass die Erb­las­se­rin kei­nen Kon­takt mehr zur Haus­häl­te­rin gehabt habe und unstrei­tig ver­sucht habe, die Über­tra­gung des Grund­stücks an sie rück­gän­gig zu machen. Ange­sichts ihres Alters von über 90 Jah­ren kön­ne ange­nom­men wer­den, dass sie das zwei­te Ori­gi­nal schlicht ver­ges­sen gehabt habe. Trotz der Exis­tenz die­ses wei­te­ren Ori­gi­nals sei daher vom Wider­ruf des die Haus­häl­te­rin begüns­ti­gen­den Tes­ta­ments auszugehen.

Henn riet, das zu beach­ten und in Zwei­fels­fäl­len recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ — innen in der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., — www.dansef.de — verwies.

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