(Stutt­gart) Der u. a. für das Erbrecht zustän­di­ge IV. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat ent­schie­den, dass Pflicht­teils­an­sprü­che eines ent­fern­te­ren Abkömm­lings nicht durch letzt­wil­li­ge oder leb­zei­ti­ge Zuwen­dun­gen des Erb­las­sers geschmä­lert wer­den, die die­ser einem trotz Erb- und Pflicht­teils­ver­zichts tes­ta­men­ta­risch zum Allein­er­ben bestimm­ten nähe­ren Abkömm­ling zukom­men lässt, wenn bei­de Abkömm­lin­ge dem­sel­ben Stamm gesetz­li­cher Erben ange­hö­ren und allein die­ser Stamm bedacht wird.

Dar­auf ver­weist der Nürn­ber­ger Fach­an­walt für Erb- und Steu­er­recht sowie Han­dels- und Gesell­schafts­recht Dr. Nor­bert Gie­se­ler, Vize­prä­si­dent der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 27.06.2012 zu sei­nem Urteil vom 23. Mai 2012 — IV ZR 239/10.

Die Klä­ge­rin ist die Toch­ter der Beklag­ten. Sie macht Pflicht­teils­an­sprü­che nach deren im Jahr 2005 ver­stor­be­nem Vater (Erb­las­ser) geltend.

Der Erb­las­ser und die Mut­ter der Beklag­ten errich­te­ten im Jahr 1987 ein nota­ri­el­les gemein­schaft­li­ches Tes­ta­ment, in dem sie sich gegen­sei­tig zum allei­ni­gen und aus­schließ­li­chen Erben und ihre Enkel­kin­der zu Schluss­erben ein­setz­ten. Dem Über­le­ben­den des Erst­versterben­den wur­de das Recht vor­be­hal­ten, aus dem Kreis der gemein­schaft­li­chen Abkömm­lin­ge oder deren Abkömm­lin­ge abwei­chen­de Schluss­erben zu bestim­men. Am sel­ben Tag ver­zich­te­te die Beklag­te ihren Eltern gegen­über allein für ihre Per­son, nicht aber für ihre Abkömm­lin­ge, auf ihr gesetz­li­ches Erb- und Pflichtteilsrecht.

Nach dem Tod sei­ner Ehe­frau setz­te der Erb­las­ser im Jahr 2000 die Beklag­te mit nota­ri­el­lem Tes­ta­ment zu sei­ner allei­ni­gen und aus­schließ­li­chen Erbin ein. Er ernann­te die Klä­ge­rin zur Ersatz­er­bin. Die Par­tei­en sind die ein­zi­gen Abkömm­lin­ge des Erb­las­sers und sei­ner vor­ver­stor­be­nen Ehefrau.

Mit der Kla­ge ver­langt die Klä­ge­rin von der Beklag­ten Zah­lung in Höhe von 85.000 € nebst Zin­sen sowie Aus­kunft über den Bestand des Nach­las­ses und Ein­ho­lung eines Wert­ermitt­lungs­gut­ach­tens bezüg­lich dem Nach­lass zuge­hö­ri­gen Grund­ver­mö­gens. Die Par­tei­en strei­ten dar­über, ob § 2309 BGB* einer Pflicht­teils­be­rech­ti­gung der Klä­ge­rin entgegensteht.

Die Kla­ge hat­te in den Vor­in­stan­zen kei­nen Erfolg. Die Revi­si­on führ­te zur Auf­he­bung und Zurück­ver­wei­sung an das Beru­fungs­ge­richt, betont Dr. Gieseler.

Die Klä­ge­rin ist pflicht­teils­be­rech­tigt, auch wenn die Beklag­te der nähe­re und als sol­cher grund­sätz­lich vor­ran­gi­ge Abkömm­ling des Erb­las­sers ist. Jedoch gilt sie infol­ge ihres Erb- und Pflicht­teils­ver­zichts gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 2 Halb­satz 1 BGB** als vor­ver­stor­ben. An ihrer Stel­le ist ihre Toch­ter, die Klä­ge­rin, in die gesetz­li­che Erb- und Pflicht­teils­fol­ge ein­ge­rückt. Ihre Posi­ti­on als gesetz­li­che Erbin ihres Groß­va­ters wur­de der Klä­ge­rin durch des­sen Tes­ta­ment aber wie­der ent­zo­gen. Der Erb­las­ser war durch den Erb­ver­zicht nicht dar­an gehin­dert, die Beklag­te als Erbin einzusetzen.

Das Beru­fungs­ge­richt hat zu Unrecht in der Annah­me des tes­ta­men­ta­risch zuge­wen­de­ten Erbes eine auf den Pflicht­teils­an­spruch anzu­rech­nen­de Ent­ge­gen­nah­me eines der Beklag­ten “Hin­ter­las­se­nen” i.S. vom § 2309 Alt. 2 BGB gesehen.

Wie eine Betrach­tung der Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Vor­schrif­ten zum Pflicht­teil und zum Erb­ver­zicht ergibt, war es erklär­tes Ziel des Gesetz­ge­bers zu ver­hin­dern, dass dem­sel­ben Stamm zwei­mal ein Pflicht­teil gewährt wür­de, und eine Pflicht­teils­ver­viel­fäl­ti­gung zu Las­ten des Nach­las­ses aus­zu­schlie­ßen. Mit dem Wort­laut des § 2309 BGB ist der Gesetz­ge­ber auch für den Fall des ver­zichts­be­ding­ten Auf­rü­ckens eines ent­fern­te­ren Abkömm­lings in die gesetz­li­che Erb- und Pflicht­teils­fol­ge nicht von dem Prin­zip abge­kehrt, Dop­pel­be­güns­ti­gun­gen des Stam­mes des aus­ge­schie­de­nen, grund­sätz­lich vor­ran­gi­gen Berech­tig­ten sowie Ver­viel­fäl­ti­gun­gen der auf dem Nach­lass lie­gen­den Pflicht­teils­last auszuschließen.

Von die­sem Norm­zweck wird die Erb­fol­ge nach dem Vater bzw. Groß­va­ter der Par­tei­en nicht erfasst. Gehö­ren der trotz Erb-und Pflicht­teils­ver­zichts zum gewill­kür­ten Allein­er­ben bestimm­te nähe­re Abkömm­ling und der ent­fern­te­re Pflicht­teils­be­rech­ti­ge dem ein­zi­gen Stamm gesetz­li­cher Erben an, berüh­ren die Zuwen­dun­gen nur das Innen­ver­hält­nis die­ses Stam­mes. Blei­ben sol­che Zuwen­dun­gen — hier die tes­ta­men­ta­ri­sche Erbein­set­zung der Beklag­ten — bei der Gel­tend­ma­chung von Pflicht­teils­an­sprü­chen unbe­rück­sich­tigt, droht dem Nach­lass kei­ne Ver­viel­fäl­ti­gung der Pflicht­teils­last, wie sie § 2309 BGB gera­de ver­mei­den will. 

Dr. Gie­se­ler emp­fahl, dies zu beach­ten sowie ggfs. recht­li­chen und steu­er­li­chen  Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

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