(Stutt­gart) Der Bun­des­ge­richts­hof hat über die Fra­ge ent­schie­den, ob eine Platz-/Re­ser­vie­rungs­ge­bühr, die einem pri­vat­ver­si­cher­ten Pfle­ge­be­dürf­ti­gen für die Zeit vor dem tat­säch­li­chen Ein­zug in das Pfle­ge­heim berech­net wur­de, zurück­er­stat­tet wer­den muss.

Dar­auf ver­weist die Frank­fur­ter Rechts­an­wäl­tin und Fach­an­wäl­tin für Fami­li­en­recht Hele­ne – Moni­ka Filiz, Vize­prä­si­den­tin der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) zu sei­nem Urteil vom 15. Juli 2021 – III ZR 225/20.

  • Sach­ver­halt:

Für die inzwi­schen ver­stor­be­ne Mut­ter des Klä­gers bestand eine pri­va­te Pfle­ge­pflicht­ver­si­che­rung. Sie war ab dem 4. Janu­ar 2016 pfle­ge­be­dürf­tig und wur­de zunächst in einem ande­ren Alten- und Pfle­ge­heim voll­sta­tio­när unter­ge­bracht. In der Fol­ge­zeit schlos­sen der Klä­ger als Ver­tre­ter sei­ner Mut­ter und die Beklag­te als Ein­rich­tungs­trä­ge­rin unter dem 12. Febru­ar 2016 einen schrift­li­chen “Ver­trag für voll­sta­tio­nä­re Pfle­ge­ein­rich­tun­gen” mit Wir­kung zum 15. Febru­ar 2016. Der Ein­zug der Bewoh­ne­rin in das Pfle­ge­heim der Beklag­ten erfolg­te am 29. Febru­ar 2016.

Der Pfle­ge­ver­trag sieht vor, dass die (künf­ti­ge) Bewoh­ne­rin vom Ver­trags­be­ginn bis zum Ein­zugs­ter­min eine Platz­ge­bühr in Höhe von 75 % der Pfle­ge­ver­gü­tung, der Ent­gel­te für Unter­kunft und Ver­pfle­gung sowie des Umla­ge­be­trags nach der Alten­pfle­ge­aus­bil­dungs­aus­gleichs­ver­ord­nung (Alt­PflAus­glVO) zu ent­rich­ten hat.

Dem­entspre­chend stell­te die Beklag­te unter dem 22. März 2016 der Mut­ter des Klä­gers für die Reser­vie­rung eines Zim­mers in ihrem Pfle­ge­heim in dem Zeit­raum vom 15. bis 28. Febru­ar 2016 eine Platz­ge­bühr in Höhe von 1.127,84 € in Rech­nung. Der Klä­ger bezahl­te zunächst den Rech­nungs­be­trag. 2018 for­der­te er die Beklag­te erfolg­los zur Rück­zah­lung auf.

Der Klä­ger hat gel­tend gemacht, gemäß § 87a SGB XI habe eine Ver­gü­tungs­pflicht erst ab dem tat­säch­li­chen Ein­zug sei­ner Mut­ter in das Pfle­ge­heim der Beklag­ten am 29. Febru­ar 2016 bestan­den. Abwei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen sei­en unwirksam.

  • Pro­zess­ver­lauf:

Das Amts­ge­richt hat die Beklag­te zur Zah­lung des gefor­der­ten Betrags nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten ver­ur­teilt. Auf die Beru­fung der Beklag­ten hat das Land­ge­richt das erst­in­stanz­li­che Urteil dahin abge­än­dert, dass die Beklag­te unter Kla­ge­ab­wei­sung im Übri­gen zur Zah­lung von 209,30 € nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten ver­ur­teilt wor­den ist.

  • Die Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der III. Zivil­se­nat hat auf die Revi­si­on des Klä­gers das Urteil des Land­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sache an das Beru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen, soweit die Kla­ge abge­wie­sen wor­den ist.

Die Ver­ein­ba­rung einer Platz-/Re­ser­vie­rungs­ge­bühr ist mit § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG in Ver­bin­dung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI unver­ein­bar und daher unwirk­sam (15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI).

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG müs­sen in Ver­trä­gen mit Ver­brau­chern, die Leis­tun­gen nach dem Elf­ten Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB XI) in Anspruch neh­men, die Ver­ein­ba­run­gen den Rege­lun­gen des Sieb­ten und Ach­ten Kapi­tels des Elf­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch sowie den auf­grund die­ser Kapi­tel getrof­fe­nen Rege­lun­gen ent­spre­chen. Die Ver­wei­sung in § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG auf die Vor­schrif­ten des Ach­ten Kapi­tels des SGB XI über die Ver­gü­tung der Pfle­ge­leis­tun­gen schließt die zu die­sen Bestim­mun­gen zäh­len­de Rege­lung des § 87a Abs. 1 SGB XI ein.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts umfasst der Anwen­dungs­be­reich des § 15 Abs. 1 WBVG nicht nur Ver­brau­cher, die Leis­tun­gen der sozia­len Pfle­ge­ver­si­che­rung im Sin­ne des § 28 SGB XI unmit­tel­bar bezie­hen, son­dern auch Ver­brau­cher, die Leis­tun­gen einer pri­va­ten Pfle­ge­pflicht­ver­si­che­rung erhal­ten und damit mit­tel­bar Leis­tun­gen auf der Basis des Vier­ten Kapi­tels des SGB XI in Anspruch neh­men. Dafür spre­chen nicht nur der enge sys­te­ma­ti­sche Zusam­men­hang und die leis­tungs­mä­ßi­ge Gleich­stel­lung der sozia­len und der pri­va­ten Pfle­ge­ver­si­che­rung (§ 23 in Ver­bin­dung mit § 110 SGB XI), son­dern vor allem auch der in der Geset­zes­be­grün­dung ein­deu­tig zum Aus­druck gebrach­te Wil­le des Gesetz­ge­bers sowie Sinn und Zweck der Vorschrift.

In der Geset­zes­be­grün­dung wird aus­ge­führt, dass mit § 15 Abs. 1 WBVG eine Son­der­re­ge­lung für das Ver­hält­nis zwi­schen ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen von Unter­neh­mer und Ver­brau­cher und den gesetz­li­chen Rege­lun­gen des SGB XI geschaf­fen wer­de. Hier­nach sei­en ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen, die den Vor­schrif­ten des SGB XI sowie den auf­grund die­ser Vor­schrif­ten getrof­fe­nen Rege­lun­gen nicht ent­sprä­chen, unwirk­sam. Erfasst wür­den mit der Bezug­nah­me auf die Rege­lun­gen des SGB XI auch die Fäl­le mit­tel­ba­rer Leis­tungs­inan­spruch­nah­me im Rah­men der pri­va­ten Pflegepflichtversicherung.

Dem in der Geset­zes­be­grün­dung beton­ten Zweck des § 15 Abs. 1 WBVG, den Vor­rang des Leis­tungs­er­brin­gungs­rechts nach dem SGB XI vor ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen nach dem WBVG sicher­zu­stel­len und die zivilrechtlichen/vertragsrechtlichen Vor­ga­ben des WBVG mit den leis­tungs­recht­li­chen Bestim­mun­gen des SGB XI zu har­mo­ni­sie­ren, kann nur dann umfas­send Rech­nung getra­gen wer­den, wenn der Anwen­dungs­be­reich der Norm auch auf die Fäl­le der mit­tel­ba­ren Inan­spruch­nah­me von Sozi­al­leis­tun­gen nach dem SGB XI erstreckt wird. Andern­falls käme es zu einer kaum nach­voll­zieh­ba­ren Ungleich­be­hand­lung der hin­sicht­lich des Leis­tungs­um­fangs gleich­ge­stell­ten Ver­si­cher­ten in der pri­va­ten Pfle­ge­ver­si­che­rung, die der Gesetz­ge­ber in die­sem Bereich gera­de ver­mei­den wollte.

Es ist mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI unver­ein­bar, eine Platz- oder Reser­vie­rungs­ge­bühr auf der Basis des ver­trag­li­chen Leis­tungs­ent­gelts – gege­be­nen­falls ver­min­dert um pau­scha­lier­te erspar­te Auf­wen­dun­gen – für die Zeit vor der Auf­nah­me des Pfle­ge­be­dürf­ti­gen in das Pfle­ge­heim bis zum tat­säch­li­chen Ein­zugs­ter­min ver­trag­lich fest­zu­le­gen. Dies wider­sprä­che nicht nur dem Prin­zip der Abrech­nung der tat­säch­li­chen Leis­tungs­er­brin­gung auf Tages­ba­sis, son­dern begrün­de­te auch die (nahe­lie­gen­de) Gefahr, dass Leer­stän­de im Anschluss an einen Aus­zug oder das Verster­ben eines Heim­be­woh­ners dop­pelt berück­sich­tigt wür­den, näm­lich zum einen über die in die Pfle­ge­sät­ze ein­ge­flos­se­ne Aus­las­tungs­kal­ku­la­ti­on und/oder etwai­ge Wag­nis- und Risi­ko­zu­schlä­ge und zum ande­ren über die zusätz­li­che Inrech­nungstel­lung eines Leis­tungs­ent­gelts ohne tat­säch­li­che Leis­tungs­er­brin­gung gegen­über einem zukünf­ti­gen Heimbewohner.

  • 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI erklärt die Rege­lun­gen zur Zah­lungs­pflicht nach § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI für zwin­gend. Wegen § 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG ist es auch nicht mög­lich, abwei­chen­den Ver­ein­ba­run­gen in einem Wohn- und Betreu­ungs­ver­trag den Vor­rang einzuräumen.

Die Beklag­te ist daher nach Berei­che­rungs­recht zur Rück­erstat­tung wei­te­rer 918,54 € ver­pflich­tet. Der Senat konn­te jedoch nicht abschlie­ßend ent­schei­den, weil Fest­stel­lun­gen dazu nach­zu­ho­len sind, ob der Klä­ger für den gel­tend gemach­ten Anspruch aktiv­le­gi­ti­miert ist.

Filiz emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de , verwies.

 

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