(Stutt­gart) Der III. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat ent­schie­den, dass der Ver­trag über ein Benut­zer­kon­to bei einem sozia­len Netz­werk (hier face­book) grund­sätz­lich im Wege der Gesamt­rechts­nach­fol­ge auf die Erben des ursprüng­li­chen Kon­to­be­rech­tig­ten über­geht und die­se einen Anspruch gegen den Netz­werk­be­trei­ber auf Zugang zu dem Kon­to ein­schließ­lich der dar­in vor­ge­hal­te­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­hal­te haben.

Dar­auf ver­weist der Stutt­gar­ter Fach­an­walt für Erbrecht Micha­el Henn, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e.V., mit dem Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs vom 12.07.2018 zu sei­nem Urteil vom sel­ben Tage, Az. III ZR 183/17.

Der Sach­ver­halt:

Die Klä­ge­rin ist die Mut­ter der im Alter von 15 Jah­ren ver­stor­be­nen L. W. und neben dem Vater Mit­glied der Erben­ge­mein­schaft nach ihrer Toch­ter. Die Beklag­te betreibt ein sozia­les Netz­werk, über des­sen Infra­struk­tur die Nut­zer mit­ein­an­der über das Inter­net kom­mu­ni­zie­ren und Inhal­te aus­tau­schen können.

2011 regis­trier­te sich die Toch­ter der Klä­ge­rin im Alter von 14 Jah­ren im Ein­ver­ständ­nis ihrer Eltern bei dem sozia­len Netz­werk der Beklag­ten und unter­hielt dort ein Benut­zer­kon­to. 2012 ver­starb das Mäd­chen unter bis­her unge­klär­ten Umstän­den infol­ge eines U‑Bahnunglücks.

Die Klä­ge­rin ver­such­te hier­nach, sich in das Benut­zer­kon­to ihrer Toch­ter ein­zu­log­gen. Dies war ihr jedoch nicht mög­lich, weil die Beklag­te es inzwi­schen in den soge­nann­ten Gedenk­zu­stand ver­setzt hat­te, womit ein Zugang auch mit den Nut­zer­da­ten nicht mehr mög­lich ist. Die Inhal­te des Kon­tos blei­ben jedoch wei­ter bestehen.

Die Klä­ge­rin bean­sprucht mit ihrer Kla­ge von der Beklag­ten, den Erben Zugang zu dem voll­stän­di­gen Benut­zer­kon­to zu gewäh­ren, ins­be­son­de­re zu den dar­in vor­ge­hal­te­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­hal­ten. Sie macht gel­tend, die Erben­ge­mein­schaft benö­ti­ge den Zugang zu dem Benut­zer­kon­to, um Auf­schluss dar­über zu erhal­ten, ob ihre Toch­ter kurz vor ihrem Tod Sui­zid­ab­sich­ten gehegt habe, und um Scha­dens­er­satz­an­sprü­che des U‑Bahn-Fah­rers abzuwehren.

Der Pro­zess­ver­lauf:

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Beru­fung der Beklag­ten hat das Kam­mer­ge­richt das erst­in­stanz­li­che Urteil abge­än­dert und die Kla­ge abge­wie­sen. Hier­ge­gen rich­tet sich die vom Beru­fungs­ge­richt zuge­las­se­ne Revi­si­on der Klägerin.

Die Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat das Urteil des Kam­mer­ge­richts auf­ge­ho­ben und das erst­in­stanz­li­che Urteil wiederhergestellt.

Die Erben haben gegen die Beklag­te einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benut­zer­kon­to der Erb­las­se­rin und den dar­in vor­ge­hal­te­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­hal­ten zu gewäh­ren. Dies ergibt sich aus dem Nut­zungs­ver­trag zwi­schen der Toch­ter der Klä­ge­rin und der Beklag­ten, der im Wege der Gesamt­rechts­nach­fol­ge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über­ge­gan­gen ist. Des­sen Ver­erb­lich­keit ist nicht durch die ver­trag­li­chen Bestim­mun­gen aus­ge­schlos­sen. Die Nut­zungs­be­din­gun­gen ent­hal­ten hier­zu kei­ne Rege­lung. Die Klau­seln zum Gedenk­zu­stand sind bereits nicht wirk­sam in den Ver­trag ein­be­zo­gen. Sie hiel­ten über­dies einer Inhalts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam.

Auch aus dem Wesen des Ver­trags ergibt sich eine Unver­erb­lich­keit des Ver­trags­ver­hält­nis­ses nicht; ins­be­son­de­re ist die­ser nicht höchst­per­sön­li­cher Natur. Der höchst­per­sön­li­che Cha­rak­ter folgt nicht aus im Nut­zungs­ver­trag still­schwei­gend vor­aus­ge­setz­ten und damit imma­nen­ten Grün­den des Schut­zes der Per­sön­lich­keits­rech­te der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner der Erb­las­se­rin. Zwar mag der Abschluss eines Nut­zungs­ver­trags mit dem Betrei­ber eines sozia­len Netz­werks in der Erwar­tung erfol­gen, dass die Nach­rich­ten zwi­schen den Teil­neh­mern des Netz­werks jeden­falls grund­sätz­lich ver­trau­lich blei­ben und nicht durch die Beklag­te drit­ten Per­so­nen gegen­über offen­ge­legt wer­den. Die ver­trag­li­che Ver­pflich­tung der Beklag­ten zur Über­mitt­lung und Bereit­stel­lung von Nach­rich­ten und sons­ti­gen Inhal­ten ist jedoch von vorn­her­ein kon­to­be­zo­gen. Sie hat nicht zum Inhalt, die­se an eine bestimm­te Per­son zu über­mit­teln, son­dern an das ange­ge­be­ne Benut­zer­kon­to. Der Absen­der einer Nach­richt kann dem­entspre­chend zwar dar­auf ver­trau­en, dass die Beklag­te sie nur für das von ihm aus­ge­wähl­te Benut­zer­kon­to zur Ver­fü­gung stellt. Es besteht aber kein schutz­wür­di­ges Ver­trau­en dar­auf, dass nur der Kon­to­in­ha­ber und nicht Drit­te von dem Kon­to­in­halt Kennt­nis erlan­gen. Zu Leb­zei­ten muss mit einem Miss­brauch des Zugangs durch Drit­te oder mit der Zugangs­ge­wäh­rung sei­tens des Kon­to­be­rech­tig­ten gerech­net wer­den und bei des­sen Tod mit der Ver­er­bung des Vertragsverhältnisses.

Eine Dif­fe­ren­zie­rung des Kon­to­zu­gangs nach ver­mö­gens­wer­ten und höchst­per­sön­li­chen Inhal­ten schei­det aus. Nach der gesetz­ge­be­ri­schen Wer­tung gehen auch Rechts­po­si­tio­nen mit höchst­per­sön­li­chen Inhal­ten auf die Erben über. So wer­den ana­lo­ge Doku­men­te wie Tage­bü­cher und per­sön­li­che Brie­fe ver­erbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schlie­ßen ist. Es besteht aus erb­recht­li­cher Sicht kein Grund dafür, digi­ta­le Inhal­te anders zu behandeln.

Einen Aus­schluss der Ver­erb­lich­keit auf Grund des post­mor­ta­len Per­sön­lich­keits­rechts der Erb­las­se­rin hat der III. Zivil­se­nat eben­falls verneint.

Auch das Fern­mel­de­ge­heim­nis steht dem Anspruch der Klä­ge­rin nicht ent­ge­gen. Der Erbe ist, da er voll­stän­dig in die Posi­ti­on des Erb­las­sers ein­rückt, jeden­falls nicht “ande­rer” im Sin­ne von § 88 Abs. 3 TKG.

Schließ­lich kol­li­diert der Anspruch der Klä­ge­rin auch nicht mit dem Daten­schutz­recht. Der Senat hat hier­zu die seit 25. Mai 2018 gel­ten­de Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung (DS-GVO) anzu­wen­den. Die­se steht dem Zugang der Erben nicht ent­ge­gen. Daten­schutz­recht­li­che Belan­ge der Erb­las­se­rin sind nicht betrof­fen, da die Ver­ord­nung nur leben­de Per­so­nen schützt. Die der Über­mitt­lung und Bereit­stel­lung von Nach­rich­ten und sons­ti­gen Inhal­ten imma­nen­te Ver­ar­bei­tung der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner der Erb­las­se­rin ist sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zuläs­sig. Sie ist sowohl zur Erfül­lung der ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen gegen­über den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­nern der Erb­las­se­rin erfor­der­lich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO) als auch auf Grund berech­tig­ter über­wie­gen­der Inter­es­sen der Erben (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO).

Henn riet, das zu beach­ten und in Zwei­fels­fäl­len recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ — innen in der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., — www.dansef.de — verwies.

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