(Stutt­gart) Der u.a. für Fami­li­en­recht zustän­di­ge XII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat sich mit der Fra­ge befasst, in wel­chem Umfang die Eltern eine Berufs­aus­bil­dung ihrer Kin­der finan­zie­ren müssen.

Dar­auf ver­weist der Nürn­ber­ger Fach­an­walt für Fami­li­en­recht Mar­tin Weis­pfen­ning, Vize­prä­si­dent und Geschäfts­füh­rer „Fami­li­en­recht“ der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 3.05.2017 zu sei­nem Beschluss vom sel­ben Tage, Az. XII ZB 415/16.

  • Sach­ver­halt:

Das antrag­stel­len­de Land nimmt den Antrags­geg­ner, des­sen Toch­ter es Vor­aus­leis­tun­gen nach dem Bun­des­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz (BAföG) gewährt hat, auf Aus­bil­dungs­un­ter­halt aus über­ge­gan­ge­nem Recht in Anspruch. Die im Novem­ber 1984 gebo­re­ne nicht­ehe­li­che Toch­ter erwarb im Jah­re 2004 das Abitur mit einem Noten­durch­schnitt von 2,3. Ab dem Win­ter­se­mes­ter 2004/2005 bewarb sie sich im Ver­ga­be­ver­fah­ren der Zen­tral­stel­le für die Ver­ga­be von Stu­di­en­plät­zen (ZVS) um einen Medi­zin­stu­di­en­platz. Nach­dem ihr kein sol­cher zuge­wie­sen wur­de, begann sie im Febru­ar 2005 eine Leh­re als anäs­the­sie­tech­ni­sche Assis­ten­tin, die sie im Janu­ar 2008 erfolg­reich abschloss. Ab Febru­ar 2008 arbei­te­te sie in die­sem erlern­ten Beruf. Für das Win­ter­se­mes­ter 2010/2011 wur­de ihr schließ­lich ein Stu­di­en­platz zuge­wie­sen; seit­dem stu­diert sie Medizin.

Im Sep­tem­ber 2011 erhielt der Vater durch die Auf­for­de­rung des Stu­die­ren­den­werks zur Aus­kunft über sei­ne finan­zi­el­len Ver­hält­nis­se Kennt­nis von der Stu­di­en­auf­nah­me sei­ner Toch­ter. Er hat­te weder mit deren Mut­ter noch mit ihr jemals zusam­men­ge­lebt und sei­ne Toch­ter letzt­mals getrof­fen, als sie 16 Jah­re alt war. Per Brief hat­te er ihr im Jah­re 2004 nach dem Abitur — des­sen erfolg­rei­che Able­gung er annahm — mit­ge­teilt, er gehe vom Abschluss der Schul­aus­bil­dung aus und davon, kei­nen wei­te­ren Unter­halt mehr zah­len zu müs­sen. Soll­te dies anders sein, möge sich sei­ne Toch­ter bei ihm mel­den. Nach­dem eine Reak­ti­on hier­auf unter­blieb, stell­te er die Unter­halts­zah­lun­gen für sei­ne Toch­ter ein.

  • Bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

Das Amts­ge­richt hat den auf Zah­lung von ins­ge­samt 3.452,16 € (BAföG-Vor­aus­leis­tung für Okto­ber 2011 bis Sep­tem­ber 2012) gerich­te­ten Antrag abge­wie­sen, das Ober­lan­des­ge­richt hat die Beschwer­de des Lan­des zurückgewiesen.

  • Ent­schei­dung des Gerichts:

Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Rechts­be­schwer­de ist ohne Erfolg geblie­ben. Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unter­halt eines Kin­des die Kos­ten einer ange­mes­se­nen Aus­bil­dung zu einem Beruf. Geschul­det wird danach eine Berufs­aus­bil­dung, die der Bega­bung und den Fähig­kei­ten, dem Leis­tungs­wil­len und den beach­tens­wer­ten Nei­gun­gen des Kin­des am bes­ten ent­spricht und sich in den Gren­zen der wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit der Eltern hält. Ein ein­heit­li­cher Aus­bil­dungs­gang in die­sem Sinn kann auch gege­ben sein, wenn ein Kind nach Erlan­gung der Hoch­schul­rei­fe auf dem her­kömm­li­chen schu­li­schen Weg (Abitur) eine prak­ti­sche Aus­bil­dung (Leh­re) absol­viert hat und sich erst danach zu einem Stu­di­um ent­schließt (sog. Abitur-Leh­re-Stu­di­um-Fäl­le). Hier­für müs­sen die ein­zel­nen Aus­bil­dungs­ab­schnit­te jedoch in engem zeit­li­chen und sach­li­chen Zusam­men­hang ste­hen; die prak­ti­sche Aus­bil­dung und das Stu­di­um müs­sen sich jeden­falls sinn­voll ergänzen.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB fol­gen­de Anspruch ist zudem vom Gegen­sei­tig­keits­prin­zip geprägt. Der Ver­pflich­tung des Unter­halts­schuld­ners zur Ermög­li­chung einer Berufs­aus­bil­dung steht auf Sei­ten des Unter­halts­be­rech­tig­ten die Oblie­gen­heit gegen­über, sie mit Fleiß und der gebo­te­nen Ziel­stre­big­keit in ange­mes­se­ner und übli­cher Zeit auf­zu­neh­men und zu been­den, wobei ein vor­über­ge­hen­des leich­te­res Ver­sa­gen des Kin­des unschäd­lich ist. Eine fes­te Alters­gren­ze, ab deren Errei­chen der Anspruch auf Aus­bil­dungs­un­ter­halt ent­fällt, lässt sich dem Gesetz nicht ent­neh­men. Die Unter­halts­pflicht rich­tet sich viel­mehr nach den Umstän­den des Ein­zel­falls. Maß­geb­lich ist, ob den Eltern unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de die Leis­tung von Aus­bil­dungs­un­ter­halt noch zumut­bar ist. Dies wird nicht nur durch die wirt­schaft­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit der Eltern bestimmt, son­dern auch davon, ob und inwie­weit sie damit rech­nen müs­sen, dass ihr Kind wei­te­re Aus­bil­dungs­stu­fen anstrebt. Denn zu den schüt­zens­wer­ten Belan­gen des Unter­halts­pflich­ti­gen gehört, sich in der eige­nen Lebens­pla­nung dar­auf ein­stel­len zu kön­nen, wie lan­ge die Unter­halts­last dau­ern wird. Eine Unter­halts­pflicht wird daher umso weni­ger in Betracht kom­men, je älter der Aus­zu­bil­den­de bei Abschluss sei­ner prak­ti­schen Berufs­aus­bil­dung ist. Auch wenn der Unter­halts­an­spruch kei­ne Abstim­mung des Aus­bil­dungs­plans mit dem Unter­halts­pflich­ti­gen vor­aus­setzt, kann es der Zumut­bar­keit ent­ge­gen­ste­hen, wenn der Unter­halts­pflich­ti­ge von dem Aus­bil­dungs­plan erst zu einem Zeit­punkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rech­nen muss, zu wei­te­ren Aus­bil­dungs­kos­ten her­an­ge­zo­gen zu werden.

Nach die­sen recht­li­chen Maß­ga­ben bestand im vor­lie­gen­den Fall kein Unter­halts­an­spruch mehr. Aller­dings ist das Stu­di­um nicht allein wegen der Abitur­no­te unan­ge­mes­sen. Ent­ste­hen bei einem mit Nume­rus Clau­sus beleg­ten Stu­di­en­gang noten­be­ding­te War­te­zei­ten, kann das ledig­lich zur Fol­ge haben, dass das Kind sei­nen Bedarf wäh­rend der War­te­zeit durch eine eige­ne Erwerbs­tä­tig­keit sicher­stel­len muss. Auch fehlt ins­be­son­de­re nicht der zeit­li­che Zusam­men­hang zwi­schen Leh­re und Stu­di­um, weil die Tätig­keit im erlern­ten Beruf ledig­lich der Über­brü­ckung der zwangs­läu­fi­gen War­te­zeit dien­te. Die Inan­spruch­nah­me des Vaters ist auf­grund der Beson­der­hei­ten des Ein­zel­falls hier unzu­mut­bar, selbst wenn er wäh­rend der Leh­re sei­ner Toch­ter nicht für ihren Unter­halt auf­kom­men muss­te. Denn bei dem Alter der Toch­ter von fast 26 Jah­re bei Stu­di­en­be­ginn muss­te der Vater typi­scher Wei­se nicht mehr ohne wei­te­res mit der Auf­nah­me eines Stu­di­ums sei­ner Toch­ter rech­nen. Ent­spre­chend hat­te er im Ver­trau­en dar­auf, nicht mehr für den Unter­halt der Toch­ter auf­kom­men zu müs­sen, ver­schie­de­ne län­ger­fris­ti­ge finan­zi­el­le Dis­po­si­tio­nen (kre­dit­fi­nan­zier­ter Eigen­heim­kauf; Kon­su­men­ten­kre­di­te) getrof­fen. Die­ses Ver­trau­en war im vor­lie­gen­den Fall auch schüt­zens­wert, weil ihn sei­ne Toch­ter trotz sei­ner schrift­li­chen Nach­fra­ge zu kei­nem Zeit­punkt über ihre Aus­bil­dungs­plä­ne in Kennt­nis gesetzt hatte.

Weis­pfen­ning emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

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