(Stutt­gart) Der unter ande­rem für das Fami­li­en­recht zustän­di­ge XII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat­te zu klä­ren, ob die sog. gestei­ger­te Unter­halts­pflicht der Eltern gegen­über ihren min­der­jäh­ri­gen Kin­dern auch dann besteht, wenn finan­zi­ell leis­tungs­fä­hi­ge Groß­el­tern vor­han­den sind.

Dar­auf ver­weist die Frank­fur­ter Rechts­an­wäl­tin und Fach­an­wäl­tin für Fami­li­en­recht Hele­ne – Moni­ka Filiz, Vize­prä­si­den­tin der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V. mit Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richt­hofs (BGH) zu sei­nem Beschluss vom 27. Okto­ber 2021 — XII ZB 123/21.

Die­se Fra­ge ist u.a. dafür von Bedeu­tung, ob ein erwerbs­tä­ti­ger Eltern­teil für den Kin­des­un­ter­halt sein ober­halb des sog. not­wen­di­gen Selbst­be­halts (der­zeit 1.160 €) lie­gen­des Ein­kom­men ein­zu­set­zen hat oder ledig­lich das Ein­kom­men ober­halb sei­nes sog. ange­mes­se­nen Selbst­be­halts (der­zeit 1.400 €).

Im zugrun­de­lie­gen­den Fall hat ein Bun­des­land als Trä­ger der Unter­halts­vor­schuss­kas­se Kin­des­un­ter­halt aus über­ge­gan­ge­nem Recht für den Zeit­raum von Juni 2016 bis ein­schließ­lich Dezem­ber 2017 ver­langt. Der Antrags­geg­ner ist der Vater der im August 2010 gebo­re­nen M., die aus sei­ner inzwi­schen geschie­de­nen Ehe mit der Kin­des­mut­ter her­vor­ge­gan­gen ist, sowie eines Soh­nes, dem er eben­falls unter­halts­pflich­tig ist. Er ver­füg­te über ein Net­to­ein­kom­men von rund 1.400 € und zahl­te an die Kin­des­mut­ter, deren Net­to­ein­kom­men aus einer Teil­zeit­tä­tig­keit rund 1.000 € betrug, monat­li­chen Unter­halt für M. in Höhe von 100 €. Sei­ne Eltern — die Groß­el­tern von M. — hat­ten monat­li­che Net­to­ein­künf­te von fast 3.500 € bzw. gut 2.200 €. Die Unter­halts­vor­schuss­kas­se leis­te­te für M. Unter­halts­vor­schuss und nahm den Vater von auf sie über­ge­gan­ge­nen Unter­halt in Höhe von ins­ge­samt 758,29 € in Regress. Der Antrags­geg­ner wand­te ein, er haf­te ange­sichts der leis­tungs­fä­hi­gen Groß­el­tern nur bis zur Höhe des ange­mes­se­nen Selbst­be­halts und sei des­we­gen nicht leis­tungs­fä­hig. Das Amts­ge­richt hat dem Zah­lungs­an­trag in vol­lem Umfang ent­spro­chen. Auf die Beschwer­de des Vaters hat das Ober­lan­des­ge­richt die­se Ent­schei­dung abge­än­dert und den Antrag abgewiesen.

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die dage­gen vom Land ein­ge­leg­te Rechts­be­schwer­de zurück­ge­wie­sen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrach­ten Unter­halts­zah­lun­gen hin­aus leis­tungs­fä­hig im Sin­ne des § 1603 BGB war.

Ver­wand­te in gera­der Linie haben ein­an­der nach § 1601 BGB Unter­halt zu gewäh­ren, wobei die Unter­halts­pflicht der Eltern für ihre Kin­der der­je­ni­gen der Groß­el­tern für ihre Enkel vor­geht (§ 1606 Abs. 2 BGB). Unter­halts­pflich­tig ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nicht, wer sei­nen ange­mes­se­nen Unter­halt gefähr­den wür­de; der dar­aus abge­lei­te­te ange­mes­se­ne Selbst­be­halt eines Eltern­teils gegen­über sei­nem Kind betrug sei­ner­zeit 1.300 €. Aller­dings trifft Eltern min­der­jäh­ri­ger Kin­der gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gestei­ger­te Unter­halts­pflicht, wes­halb ihnen inso­weit nur der not­wen­di­ge Selbst­be­halt von sei­ner­zeit 1.080 € zusteht. Die­se sog. gestei­ger­te Ver­pflich­tung tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halb­satz 1 BGB nicht ein, wenn ein ande­rer unter­halts­pflich­ti­ger Ver­wand­ter vor­han­den ist.

Wie der Bun­des­ge­richts­hof nun ent­schie­den hat, führt das Vor­han­den­sein von für den Enkel­un­ter­halt leis­tungs­fä­hi­gen Groß­el­tern dazu, dass die gestei­ger­te Unter­halts­pflicht der Eltern für ihre min­der­jäh­ri­gen Kin­der ent­fällt. Dies folgt nicht nur aus dem Geset­zes­wort­laut, der nicht nach dem Ver­wandt­schafts­grad dif­fe­ren­ziert. Es ent­spricht auch dem Wil­len des Gesetz­ge­bers, der die­se Rege­lung seit Inkraft­tre­ten des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs in der Vor­stel­lung getrof­fen hat­te, die Erwei­te­rung der Unter­halts­pflicht sei wegen der für die Eltern damit ver­bun­de­nen Här­te nicht gerecht­fer­tigt, so lan­ge ande­re zur Gewäh­rung des Unter­halts ver­pflich­te­te Ver­wand­te wie etwa Groß­el­tern vor­han­den sind. An die­ser gesetz­ge­be­ri­schen Kon­zep­ti­on, die sich in die Kon­struk­ti­on des Ver­wand­ten­un­ter­halts als Aus­druck der gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­den Soli­da­ri­tät ein­fügt, hat sich bis heu­te nichts geän­dert. Wer­den Groß­el­tern für den Unter­halt ihrer Enkel her­an­ge­zo­gen, stellt dies auch kei­ne ver­deck­te Unter­halts­ge­wäh­rung an die Kin­des­el­tern dar. Viel­mehr haf­ten sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB ori­gi­när nur auf Unter­halt gegen­über ihren Enkel­kin­dern. Die Kin­des­el­tern müs­sen ihren eige­nen ange­mes­se­nen Unter­halt selbst sicherstellen.

Durch die­ses Geset­zes­ver­ständ­nis wird das gesetz­li­che Rang­ver­hält­nis nicht in Fra­ge gestellt. Zudem bleibt gewähr­leis­tet, dass die Ersatz­haf­tung der Groß­el­tern die Aus­nah­me dar­stellt. Dafür sorgt nicht nur die Anord­nung des Vor­rangs der elter­li­chen Unter­halts­pflicht, son­dern auch, dass Groß­el­tern gegen­über ihren Enkeln ein deut­lich höhe­rer ange­mes­se­ner Selbst­be­halt zusteht (der­zeit 2.000 € zzgl. der Hälf­te des über 2.000 € lie­gen­den Ein­kom­mens) als den Eltern gegen­über ihren Kin­dern. Dass der Staat für Unter­halts­vor­schuss­zah­lun­gen kei­nen Regress (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Groß­el­tern neh­men kann, ist wie­der­um eine ganz bewuss­te gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung, kann jedoch nicht dafür maß­geb­lich sein, wel­chen Umfang die zivil­recht­li­che Unter­halts­pflicht der Eltern hat. Schließ­lich geben auch Prak­ti­ka­bi­li­täts­er­wä­gun­gen kei­ne Ver­an­las­sung zu einer abwei­chen­den Geset­zes­aus­le­gung. Bereits die Anzahl der Fäl­le, in denen inten­si­ve­re Nach­for­schun­gen zu den Ein­kom­mens­ver­hält­nis­sen der Groß­el­tern erfor­der­lich sind, dürf­te begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unter­halt in Anspruch genom­me­ner Eltern­teil in sol­chen Fäl­len nicht nur dar­le­gen und bewei­sen, dass bei Unter­halts­zah­lung sein ange­mes­se­ner Selbst­be­halt nicht gewahrt wäre, son­dern auch, dass ande­re leis­tungs­fä­hi­ge Ver­wand­te vor­han­den sind.

Danach traf den Vater hier kei­ne gestei­ger­te Unter­halts­pflicht, weil jeden­falls der Groß­va­ter ohne wei­te­res leis­tungs­fä­hig für den Kin­des­un­ter­halt war. Unter Berück­sich­ti­gung des ange­mes­se­nen Selbst­be­halts muss­te der Vater daher über die bereits gezahl­ten 100 € hin­aus kei­nen wei­te­ren Kin­des­un­ter­halt leisten.

Filiz emp­fahl, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len Rechts­rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die bun­des­weit mehr als 700 auf Erbrecht, Erb­schaft­steu­er­recht und Schei­dungs­recht spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­te und Steu­er­be­ra­ter der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., www.dansef.de verwies.

 

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