(Stutt­gart) Ein Erb­ver­zicht kann auch für die Kin­der des Ver­zich­ten­den Fol­gen haben.

Das, so der Stutt­gar­ter Fach­an­walt für Erbrecht Henn, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e.V., mit dem Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Gerichts vom 10.04.2015 zu sei­nem rechts­kräf­ti­gen Beschluss vom 28.01.2015 (15 W 503/14), hat der 15. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Hamm in einer Nach­lass­sa­che ent­schie­den und damit den erst­in­stanz­li­chen Beschluss des Amts­ge­richts Dort­mund bestätigt.

Danach gilt:

  • Wer auf einen ihm tes­ta­men­ta­risch zuge­wand­ten Erb­teil ver­zich­tet, schließt auch sei­ne Kin­der vom Erb­teil aus, wenn die Ver­zichts­ver­ein­ba­rung nichts ande­res bestimmt.
  • Ver­zich­tet ein Mit­er­be auf sei­ne ver­bind­lich gewor­de­ne Erb­ein­set­zung in einem gemein­schaft­li­chen Tes­ta­ment mit Pflicht­teils­straf­klau­sel, kann der über­le­ben­de Ehe­gat­te über den Erb­teil des Ver­zich­ten­den nicht ander­wei­tig, z. B. zuguns­ten eines Kin­des des Ver­zich­ten­den verfügen.

Die in Dort­mund woh­nen­den Eltern des Erst­be­tei­lig­ten aus Hamm errich­te­ten 1980 ein gemein­schaft­li­ches Tes­ta­ment mit Pflicht­teils­straf­klau­sel, in dem sie den Über­le­ben­den zum befrei­ten Vor­er­ben und zwei ihrer Kin­der, den 1963 gebo­re­nen Erst­be­tei­lig­ten und sei­ne 1957 gebo­re­ne Schwes­ter, zu glei­chen Tei­len als Nach­er­ben ein­setz­ten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jah­re 1993 schlos­sen die über­le­ben­de Mut­ter mit dem Erst­be­tei­lig­ten und der bedach­ten Schwes­ter im Jah­re 2001 einen nota­ri­el­len Ver­trag, in dem die Schwes­ter ihr Nach­er­ben­recht auf den Erst­be­tei­lig­ten über­trug und erklär­te, auch auf ihr gesetz­li­ches Erb- und Pflicht­teils­recht zu ver­zich­ten. Hin­ter­grund waren Zuwen­dun­gen von 180.000 DM, die die Schwes­ter bereits von der Mut­ter erhal­ten hat­te bzw. noch erhal­ten soll­te. Die Schwes­ter ver­starb im Jah­re 2002, sie hin­ter­ließ zwei Kin­der, u.a. die Dritt­be­tei­lig­te aus Duis­burg als ihre Toch­ter. In einem hand­schrift­li­chen Tes­ta­ment aus dem Jah­re 2013 bestimm­te die Mut­ter die Dritt­be­tei­lig­te und einen Zweit­be­tei­lig­ten aus Düs­sel­dorf zu Erben. Ende des Jah­re 2013 ver­starb die Mut­ter im Alter von 82 Jah­ren. In der Fol­ge­zeit haben die Betei­lig­ten um die ihr zuste­hen­den Erb­rech­te nach dem Tode der Mut­ter als Erb­las­se­rin gestrit­ten, wobei der Erst­be­tei­lig­te der Ansicht war, Allein­er­be zu sein, wäh­rend der Zweit- und die Dritt­be­tei­lig­te mein­ten, dass sie die Erb­las­se­rin als Mit­er­ben beerbt hätten.

Nach der vom Amts­ge­richt Dort­mund getrof­fe­nen und vom 15. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm bestä­tig­ten Ent­schei­dung ist der Erst­be­tei­lig­te der Allein­er­be sei­ner Mut­ter geworden.

Der Erst­be­tei­lig­te und sei­ne im Jah­re 2002 ver­stor­be­ne Schwes­ter sei­en durch das im Jah­re 1980 errich­te­te gemein­schaft­li­che Tes­ta­ment der Eltern zu Erben nach dem Tode des letz­ten Eltern­teils ein­ge­setzt wor­den. Durch den nota­ri­el­len Ver­trag aus dem Jah­re 2001 habe die Schwes­ter auf ihr gesetz­li­ches Erb- und Pflicht­teils­recht und auch auf das ihr durch das gemein­schaft­li­che Tes­ta­ment zuge­wand­te Erbrecht ver­zich­tet. Sie sei des­we­gen als Erbin weggefallen.

Ihre Kin­der sei­en nicht als Ersatz­er­ben beru­fen. Der Zuwen­dungs­ver­zicht der Schwes­ter erstre­cke sich auch auf ihre Abkömm­lin­ge. Die nach dem Gesetz mög­li­che ande­re Bestim­mung sei im Ver­zichts­ver­trag nicht getrof­fen wor­den. Damit sei der Erb­teil der Schwes­ter beim Tode der Erb­las­se­rin dem Erst­be­tei­lig­ten ange­wach­sen. Inso­weit ent­hal­te auch das gemein­schaft­li­che Tes­ta­ment kei­ne ander­wei­ti­ge Bestimmung.

Die Erb­las­se­rin sei nach dem Tode ihres Ehe­manns gehin­dert gewe­sen, ihre Enke­lin und den Zweit­be­tei­lig­ten als Erben ein­zu­set­zen. Dem ste­he das gemein­schaft­li­che Tes­ta­ment aus dem Jah­re 1980 ent­ge­gen, das auch hin­sicht­lich der Allein­er­ben­stel­lung des Erst­be­tei­lig­ten bin­dend sei. Sei­ne Bin­dungs­wir­kung erfas­se den dem Erst­be­tei­lig­ten nach dem Weg­fall sei­ner Schwes­ter zuge­wach­se­nen Erb­teil. Das erge­be die Aus­le­gung des Tes­ta­ments. Der vor­lie­gen­de Fall sei mit dem Fall ver­gleich­bar, bei dem ein Pflicht­teils­be­rech­tig­ter auf­grund einer Pflicht­teils­straf­klau­sel als Schluss­erbe aus­schei­de, weil er zu Leb­zei­ten des über­le­ben­den Ehe­gat­ten sei­nen Pflicht­teil ver­lan­ge. Auch in die­sem Fall wach­se sein Erb­teil den übri­gen tes­ta­men­ta­risch bedach­ten Erben zu. Zwar sei die Schwes­ter nicht auf­grund eines Pflicht­teils­ver­lan­gens weg­ge­fal­len, sie habe aber — ver­gleich­bar mit einem sol­chen Ver­lan­gen — ihren Erb­ver­zicht erklärt, weil sie zu Leb­zei­ten Zuwen­dun­gen erhal­ten habe.

Anmer­kung des OLG Hamm:

Dass der Ver­zicht auf einen tes­ta­men­ta­risch zuge­wand­ten Erb­teil grund­sätz­lich auch die Kin­der des Ver­zich­ten­den vom Erb­teil aus­schließt, gilt auf­grund einer Ände­rung des § 2352 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch für Erb­fäl­le ab dem 01.01.2010. Die­se gesetz­li­che Rege­lung stimmt nun­mehr mit der Rege­lung des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches für die Wir­kung des Ver­zichts auf einen gesetz­li­chen Erb­teil überein.

Henn riet, das zu beach­ten und in Zwei­fels­fäl­len recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ — innen in der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., — www.dansef.de — verwies.

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