(Stutt­gart) Ein ernst­haf­ter Tes­tier­wil­len kann nicht fest­stell­bar sein, wenn das ver­meint­li­che Tes­ta­ment nicht auf einer übli­chen Schreib­un­ter­la­ge, son­dern auf einem Stück Papier oder einem zusam­men­ge­fal­te­ten Per­ga­ment­pa­pier errich­tet wor­den ist.

Dar­auf ver­weist der Stutt­gar­ter Fach­an­walt für Erbrecht Henn, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e.V., mit dem Sitz in Stutt­gart, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Hamm vom 5.01.2016 zu sei­nem rechts­kräf­ti­gen Beschluss vom 27.11.2015 (10 W 153/15).

Die im Juli 2013 im Alter von 102 Jah­ren ver­stor­be­ne, ver­wit­we­te Erb­las­se­rin aus Preu­ßisch Olden­dorf war Eigen­tü­me­rin eines Haus­grund­stücks in Lüb­be­cke. Sie hin­ter­ließ eine in Preu­ßisch Olden­dorf leben­de Toch­ter, drei Enkel in Lüb­be­cke und eine Enke­lin in Müns­ter. Die Enkel­kin­der stamm­ten von dem im Jahr 2009 vor­ver­stor­be­nen Sohn H. der Erb­las­se­rin ab.

In der Annah­me gül­ti­ge Tes­ta­men­te der Erb­las­se­rin in den Hän­den zu haben, aus denen sich eine Erbein­set­zung ihres Vaters H. erge­be, leg­ten die Enkel im April 2014 zwei Schrift­stü­cke aus dem Jah­re 1986 vor. Bei einem die­ser Schrift­stü­cke han­del­te es sich um einen ca. 8x10 cm gro­ßen, per Hand aus­ge­schnit­te­nen Zet­tel mit neben­ste­hen­der hand­schrift­li­cher Auf­schrift. Unter die­ser folg­ten die Anga­be 1986 und ein Schrift­zug mit dem Nach­na­men der Erb­las­se­rin. Bei dem zwei­ten Schrift­stück, einem mehr­fach gefal­te­ten Stück Per­ga­ment­pa­pier, fin­den sich die glei­chen Wor­te in leicht abge­wan­del­ter Anord­nung. Auf der Grund­la­ge der vor­ste­hen­den Schrift­stü­cke bean­trag­ten die Enkel einen die vier Enkel­kin­der als Mit­er­ben aus­wei­sen­den Erb­schein. Sie ver­tra­ten die Auf­fas­sung, die Schrift­stü­cke sei­en Tes­ta­men­te der Erb­las­se­rin mit einer Erbein­set­zung zuguns­ten ihres vor­ver­stor­be­nen Vaters, an des­sen Stel­le sie als Mit­er­ben zu glei­chen Tei­len getre­ten seien.

Der Erb­schein­an­trag ist erfolg­los geblie­ben. Das Amts­ge­richt Lüb­be­cke habe, so der 10. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm, den Erb­schein­an­trag zu Recht zurück­ge­wie­sen. Es kön­ne bereits nicht mit hin­rei­chen­der Sicher­heit fest­ge­stellt wer­den, dass es sich bei den bei­den Schrift­stü­cken um letzt­wil­li­ge Ver­fü­gun­gen der Erb­las­se­rin handele.

Die Errich­tung eines Tes­ta­ments set­ze einen ernst­li­chen Tes­tier­wil­len des Erb­las­sers vor­aus. Er müs­se eine rechts­ver­bind­li­che Anord­nung für sei­nen Todes­fall tref­fen wol­len, blo­ße Ent­wür­fe eines Tes­ta­ments reich­ten nicht aus.

Im vor­lie­gen­den Fall bestün­den Zwei­fel am ernst­li­chen Tes­tier­wil­len der Erblasserin.

Erheb­li­che Zwei­fel folg­ten schon aus dem Umstand, dass die ver­meint­li­chen Tes­ta­men­te nicht auf einer übli­chen Schreib­un­ter­la­ge, son­dern auf einem aus­ge­schnit­te­nen Stück Papier und einem gefal­te­ten Bogen Per­ga­ment­pa­pier geschrie­ben wor­den seien.

Nach der äuße­ren und der inhalt­li­chen Gestal­tung sei ein Tes­ta­ment eben­falls frag­lich. Die Über­schrift ent­hal­te gra­vie­ren­de Schreib­feh­ler, im Text feh­le ein voll­stän­di­ger Satz. Dabei sei die Erb­las­se­rin der deut­schen Spra­che in Schrift und Gram­ma­tik hin­rei­chend mäch­tig gewesen.

Gegen das Vor­lie­gen von Tes­ta­men­ten spre­che zudem der Umstand, dass bei­de Schrift­stü­cke auf das Jahr 1986 datiert sein. Ein Grund für die Errich­tung von zwei nahe­zu inhalt­lich iden­ti­schen Tes­ta­men­ten inner­halb eines Jah­res sei nicht ersicht­lich. Das Vor­lie­gen zwei­er inhalt­lich ähn­li­cher Schrift­stü­cke auf unge­wöhn­li­chen Schreib­un­ter­la­gen spre­che viel­mehr dafür, dass es sich ledig­lich um schrift­lich doku­men­tier­te Vor­über­le­gun­gen oder Ent­wür­fe handele.

Schließ­lich sei­en die Schrift­stü­cke mit diver­sen unwich­ti­gen und wich­ti­gen Unter­la­gen unge­ord­net in einer Scha­tul­le auf­ge­fun­den wor­den. Auch dies las­se nicht not­wen­dig auf einen ernst­haf­ten Tes­tier­wil­len beim Ver­fas­sen der Schrift­stü­cke schlie­ßen. Die Erb­las­se­rin müs­se die Schrift­stü­cke nicht bewusst auf­be­wahrt, son­dern kön­ne die­se ledig­lich ver­ges­sen haben.

Der Umstand, dass die Erb­las­se­rin in der Fol­ge­zeit kein wei­te­res abwei­chen­des bzw. klar­stel­len­des Tes­ta­ment errich­tet habe, sei eben­falls nicht aus­sa­ge­kräf­tig. Hier­zu hät­te aus Sicht der Erb­las­se­rin nur dann Ver­an­las­sung bestan­den, wenn es sich bei den bei­den Schrift­stü­cken bereits um Tes­ta­men­te gehan­delt hät­te. Gera­de dies sei aber nicht sicher festzustellen.

Henn riet, das zu beach­ten und in Zwei­fels­fäl­len recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ — innen in der DANSEF Deut­sche Anwalts‑, Notar- und Steu­er­be­ra­ter­ver­ei­ni­gung für Erb- und Fami­li­en­recht e. V., — www.dansef.de — verwies.

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