(Stuttgart) Die Pflichtteilsstrafklausel in einem von einem Ehepaar errichteten Berliner Testament greift auch dann ein, wenn ein Träger der Sozialhilfe beim Tod des Erstversterbenden aus übergegangenem Recht für eines der Kinder den Pflichtteil verlangt. Der Pflichtteilsanspruch des Kindes nach dem Tod des zuletzt Versterbenden kann dann durch eine spätere Erbeinsetzung des Kindes durch den überlebenden Elternteil im Rahmen eines sog. Behindertentestaments nicht ausgeschlossen werden.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Erbrecht Michael Henn, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (DANSEF) mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 2.04.2013 zu seinem Urteil vom 28.02.2013 (I-10 U 71/12).

Ein Ehepaar aus Essen hatte sich in im Jahre 1979 und 1995 errichteten Berliner Testamenten wechselseitig zu Erben eingesetzt und bestimmt, dass ihre vier Töchter Schlusserben nach dem Tode des Letztversterbenden werden sollten. Zugleich hatten sie angeordnet, dass ein Kind, das nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil fordert, auch nach dem Tod des später Versterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein sollte (Pflichtteilsstrafklausel). Die jüngste Tochter des Ehepaars ist seit ihrer Geburt schwer behindert, lebt in einer Behinderteneinrichtung und steht im Leistungsbezug des klagenden Landschaftsverbandes.

Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1997 machte der Kläger aus übergegangenem Recht der jüngsten Tochter gegen die überlebende Mutter erfolgreich einen Pflichtteilsanspruch geltend.

Mit einem im Jahre 1998 errichteten notariellen Testament setzte die Mutter alle 4 Töchter zu gleichen Teilen als Erben ein und ordnete bezüglich ihrer jüngsten Tochter eine Vorerbschaft an, wobei ihre Schwestern Nacherben sein sollten (sog. Behindertentestament). Hiermit sollte ein weiterer Zugriff des Klägers auf das Erbe der behinderten Tochter beim Versterben der Mutter verhindert werden.

Nach dem Tode der Mutter im Jahre 2010 verlangte der Kläger, wiederum aus übergegangenem Recht der jüngsten Tochter, von den drei weiteren Schwestern erneut den Pflichtteil. Diesen verweigerten die Schwestern unter Hinweis darauf, dass ihre jüngste Schwester aufgrund des Testaments aus dem Jahre 1998 Vorerbin und deswegen nicht pflichtteilsberechtigt sei.

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem klagenden Landschaftsverband Recht gegeben, so Henn, und entschieden, dass die in seinem Leistungsbezug stehende behinderte Tochter nach dem Tode der Mutter pflichtteils- und nicht erbberechtigt ist. Die Pflichtteilsstrafklausel aus den Berliner Testamenten der Eltern greife auch dann ein, wenn ein Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht und nicht das behinderte Kind selbst den Pflichtteil nach dem Tode des Erstverstrebenden verlangt habe. Diesen Testamenten sei nicht zu entnehmen, dass die für den Schlusserbfall angeordnete Miterbenstellung der behinderten Tochter dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen sein sollte. Zu Lebzeiten beider Eltern sei kein sog. Behindertentestament errichtet worden. Die behinderte Tochter sei deswegen infolge des Pflichtteilsverlangens des Klägers beim Tode des Vaters wirksam enterbt worden. Hieran hätten die Regelungen des Folgetestaments aus dem Jahre 1998 nichts ändern können. Die Mutter sei nach dem Tod des Vaters an die entgegenstehenden Verfügungen aus den gemeinschaftlichen Testamenten gebunden gewesen und habe nicht mehr anderweitig verfügen können.

Henn riet, das zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ – innen in der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V., – www.dansef.de – verwies.

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